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17.07.2018 00:00
Die vier Gesichter des Donald Trump:
Trottel, Monster, Retter oder Realist?
Das Treffen zwischen dem russischen Präsidenten Wladimir Putin und seinem
US-Pendant Donald Trump bietet Anlass, die unterschiedlichen Darstellungen und
Wahrnehmungen der Person, des Politikers und des Medien-Charakters Donald Trump
zu untersuchen. Auch wenn man angesichts des Verwirrspiels Trumps teils im Nebel
stochert, so ist eines sicher: Die in den Medien dominierende Darstellung,
Donald Trump sei ein einsamer Idiot, ist simpel und falsch. [Quelle:
nds.de] JWD
Von Tobias Riegel |
Quelle: nds.de | 16.07.2018
Screenshot | Quelle:
Sputniknews |
Ende vergangener Woche haben in London über 200.000 Menschen gegen Donald Trump
demonstriert – ich bin nicht sicher, ob ich teilgenommen hätte. Nicht, dass an
der Politik und der Person Trumps nicht zahlreiche Dinge auszusetzen wären –
aber: So selbstverständlich wie sich viele der Demonstranten auf ihre Ablehnung
des stilisierten Medien-Charakters Donald Trump einigen können, so fragwürdig
sind einige der von ihnen statt dessen präferierten Modelle. Teils wird nicht
konkretisiert, was man sich „statt Trump“ für eine Politik der USA wünscht –
teils werden ganz offen die aggressiven „Globalisten“ um die US-Demokratin
Hillary Clinton umarmt. Ersteres ist ungenügend, Letzteres ist inakzeptabel.
Zudem ist unklar, wofür genau Trump steht: Seiner kriegerischen Rhetorik steht
real eine teils eher entspannende Haltung gegenüber: Auf verbale und taktische
Pseudo-Eskalationen sind nun mehrmals Kehrtwenden hin zu Entspannung (Nordkorea,
Russland) oder begrenztem Rückzug (Syrien) gefolgt – im Falle Iran bleibt
abzuwarten, ob Trump wieder diesem Muster folgen wird bzw. welche der beiden
sich aktuell bekämpfenden Macht-Gruppen in den USA sich durchsetzen kann.
Andererseits werfen die USA unter Trump
so viele Bomben wie noch nie und eskalieren nochmals die Forderungen nach
erhöhten Rüstungsetats. Die Signale sind also widersprüchlich und verwirrend.
Sehr wahrscheinlich ist aber zumindest, dass Trumps scheinbar chaotische
Amtsführung und seine angeblich einsam in der Nacht abgesetzten Tweets Teil
einer wohlgeplanten und von einem großen Team umgesetzten Strategie sind.
Mit Trump-Kritik auf der „richtigen“ Seite
Vor allem die Innenpolitik des US-Präsidenten muss sehr kritisch betrachtet
werden, da Trump hier seinen bösen Worten meist auch schlimme Taten wie die
grausame Isolierung der Migrantenkinder, eine generelle Mobilisierung durch
Rassismus oder riskante Finanz-Deregulierungen folgen lässt. Der
wirtschaftsliberale Radikal-Kapitalist Trump ist darum keineswegs jener Retter
der Arbeiterklasse, wie es seine Wahlkampagne suggeriert hat.
Insofern kann man sich leicht auf eine Ablehnung der Person und der Symbolik
Trumps einlassen – schließlich befindet man sich damit auf jeden Fall auf der
komfortablen, „richtigen“ Seite. Allerdings ist die angebotene Alternative
inakzeptabel: Abschreckend ist bereits die aufreizend arrogante Haltung vieler
Gegner Trumps sowie ihre teils merkwürdigen Koalitionen aus „liberalen“ und
russen-feindlichen US-Kriegstreibern einerseits sowie „linken“ Subkulturen
andererseits.
Man kann festhalten: Trump hat einen abstoßenden Politikstil eingeführt und
innenpolitisch mindestens fragwürdig agiert. Aber auf der anderen Seite hat er
einerseits überraschend viele seiner (teils auch positiven) Wahlkampf-Impulse
versucht umzusetzen – dazu zählt auch die angestrebte und angefeindete
Entspannung mit Russland. Andererseits sind viele dieser Versuche am immensen
Widerstand der Wahlverlierer und des von ihnen eingesetzten tiefen Staates
gescheitert oder gebremst worden. Ein Teil des anarchischen und groben Eindrucks
von Trumps Handeln rührt auch her von erzwungenen Abwehrmaßnahmen gegen die
offiziellen und verdeckten Angriffe gegen seine Politik.
Welche Macht-Gruppe steht hinter Trump?
Eben dieser unverblümte Einsatz etwa der Geheimdienste gegen Trump widerlegt die
hiesige und internationale Medien-Darstellung, Trump sei ein einsamer und
infantiler Trottel. Wäre er das, so hätte ihn die breite Koalition seiner Gegner
aus Geheimdiensten, Medien, Militär und Silicon Valley mutmaßlich längst
eingehegt. An Versuchen hat es nicht gemangelt, zum Teil ist es geglückt: Trump
wurde als russische Handpuppe verleumdet, seine Regierungs-Mannschaft wurde von
Generälen eingekreist und seine Mitarbeiter mit Prozessen und schmutzigen Tricks
bekämpft. Aber scheinbar hat Trump mächtige Personen im Rücken – sonst wäre er
nicht mehr im Amt.
Bei der Demo in London schwebte die riesige hämische Darstellung Trumps als
böses Baby in Ballonform über den Menschen. Das ist ein gutes Sinnbild für die
verkürzte und verharmlosende Sichtweise auf Trump, den man doch – wie alle
US-Präsidenten – nicht als irren Einzeltäter, sondern als relativ machtlosen
Repräsentanten „seiner“ Machtgruppe sehen muss. Bei der gängigen
unbefriedigenden Trump-Analyse überlagert aber die Person die Gruppe – eine
geglückte Ablenkung.
Mutmaßlich verfolgt Trump hinter den selbst verursachten Ablenkungen eine Agenda
– da er als Einzelkämpfer nicht überleben würde, ist es nicht seine persönliche,
sondern die mächtiger Förderer. Wer sind diese Unterstützer und was wollen sie
wirklich? Ein Atomkrieg, wie in jüngerer Vergangenheit oft medial geunkt wurde,
ist es wahrscheinlich nicht. Manche Beobachter vermuten das Gegenteil, oder
stark vereinfacht ausgedrückt: Im Kreis der Trump-Unterstützer sind nach dieser
Lesart einflussreiche Personen, die vom sehr teuren System der internationalen
US-Basen nicht profitieren. In deren Auftrag zertrümmert Trump dieses System, um
die dadurch freien Ressourcen neu einzusetzen – zum Leidwesen der auch deutschen
Clinton-Unterstützer, die das internationale Basen-System notfalls durch Kriege
noch ausbauen wollten. Durch diese Haltung würde Trump noch lange nicht zum
Pazifisten und auch nicht zum freundlichen Partner der Europäer.
Parallel-Welten in den USA
So wie es mehrere öffentliche Charaktere Trumps gibt, so existieren auch in den
Vereinigten Staaten Parallelwelten: Neben den Trump-Unterstützern ist da vor
allem die von Hillary Clinton repräsentierte Gruppe der „Globalisten“. Sie
benötigen für ihr Konzept von internationaler US-Dominanz das System der
US-Militärbasen. Sie kontrollieren weite Teile des tiefen Staates und nahezu
alle großen Medien. Sie haben ihre Niederlage noch nicht verwunden. Auf diese
Gruppe beziehen sich deutsche Transatlantiker, wenn sie von den “guten” USA
sprechen. Diese Gruppe ist in Deutschland noch immer einflussreich.
Deutsche Transatlantiker geraten durch Trump jedoch in eine Zwickmühle: Trump
zieht den Phrasen von den USA als gutmeinender Friedensmacht das
propagandistische Fundament weg. Think-Tanks, Politiker und Journalisten müssen
aktuell Trump kritisieren, wollen aber gleichzeitig die NATO erhalten, was in
einem wenig überzeugenden medialen Eiertanz mündet. Dass US-Demokraten und
deutsche Transatlantiker Trump dabei als kriegstreiberisches Monster darstellen,
ist Heuchelei. Dass diese Heuchelei nicht thematisiert wird, ist ein weiteres
Beispiel für die Gleichförmigkeit unserer Medienlandschaft.
Trump ist außenpolitisch bisher(!) eher ein Schaf im Wolfspelz, auf die extreme
Kriegsrhetorik folgten bislang wie gesagt „nur“ symbolische, militärisch
irrelevante Angriffe wie jene beiden Raketenattacken auf Syrien. Jenseits einer
auch dem Druck „liberaler“ Medien geschuldeten kriegerischen Rhetorik ist Trumps
Außenpolitik in ihrer Wirkung(!) – nicht in ihrer Erscheinung – mutmaßlich
weniger aggressiv als die unter Obama oder Bush. Es ist ein Zeichen der Zeit:
Verletzungen des Stils werden übler genommen als große Kriege. Lob kommt von den
„Liberalen“ erst, wenn Bomben fallen. Auch viele deutsche Pseudolinke würden
einer sanft sprechenden, aber Krieg führenden Hillary Clinton einem polternden,
aber (angeblich!) die US-Kriegsmaschine zurückziehenden Donald Trump den Vorzug
geben. Nach dieser Sicht wiegen blutige Feldzüge weniger schwer als ein paar
Twitter-Peinlichkeiten.
Das Ende der NATO?
Manche sehen hinter Donald Trumps Entertainment-Maschine also eher einen kühlen
Realisten, der die neue multipolare Welt akzeptiert hat. In der Gewissheit, dass
sich das amerikanische Imperium überlebt habe, betreibe er zielstrebig dessen
Rückbau – etwa durch die Demontage alter Bündnisse, die mit den hohen Kosten
einer Militärpräsenz verbunden sind, wie in Deutschland. Kostenminimierung und
damit die Aufgabe von Militärbasen sei das Gebot der Stunde. All die Tweets und
Drohungen und das ganze kriegerische Gebaren Trumps sei nur der Theaterdonner,
der einen (angeblichen!) realen Rückzug aus Kostengründen überdecken solle.
Alle in diesem Text geschilderten Theorien zur US-Außenpolitik stochern im Nebel
und können nicht als gesichert oder belegt bezeichnet werden. Bei allen
Unwägbarkeiten in der Beurteilung von Trumps „realen Motiven“ scheint eines aber
offensichtlich: Trump treibt die EU mit vielem, was er tut, in die Arme der
Russen und Chinesen. Es ist schwer zu glauben, dass das konzeptlos und „aus
Versehen“ geschieht. Aller kriegerischer Rhetorik von den zu erhöhenden
Rüstungs-Etats zum Trotz erlaubt er Europa damit erstmals seit dem Zweiten
Weltkrieg Gedankenspiele, die eine Abschaffung der NATO beinhalten. In unseren
Medien wird die „Drohung“ Trumps, die US-Truppen aus Europa abzuziehen und damit
die NATO zu begraben, als großes Unheil dargestellt. Tatsächlich wäre das aber
Vorbedingung jeder europäischen Selbstbestimmung. Insofern ist die unerhörte
Ankündigung Trumps real eine große Chance. Ob sie ergriffen wird, und wenn ja,
wie sie umgesetzt wird, steht auf einem anderen Blatt. Diese Fragen müssten aber
jetzt diskutiert werden: Die Zeit drängt – in Helsinki werden dieser Tage
wichtige Weichen gestellt.
Link zum Originaltext bei ' nachdenkseiten.de '
..hier
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Tags: Bürgerproteste,
Hillary Clinton, Entspannungspolitik, Hegemonie, Konfrontationspolitik,
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