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13.03.2018 01:30
Die Herrschaft der
Oligarchen
Die Demokratie befindet sich in einem tödlichen
Zangengriff.
Die Oligarchie ist, wie Aristoteles betont, eine „entartete“ Regierungsform.
Oligarchen haben mit Kompetenz, Intelligenz, Ehrlichkeit, Rationalität,
Selbstaufopferung oder dem Allgemeingut nichts am Hut. Sie pervertieren,
deformieren und zerstören Machtsysteme, um ihren eigenen unmittelbaren
Interessen zu dienen, für kurzfristigen persönlichen Gewinn verspielen sie die
Zukunft. [Quelle:
rubikon.news] JWD
Von Chris Hedges | RubIKon |
10. März 2018
Quelle: rubikon.news (verlinkt) |
Foto: pickingpok/Shutterstock.com
Die Herrschaft der Oligarchen
„Die wahren Regierungsformen sind also
diejenigen, bei denen der eine oder die wenigen oder die vielen mit
Blick auf die gemeinsamen Interessen regieren; Regierungen jedoch, die nur mit
Blick auf Privatinteressen herrschen, seien es die eines Einzelnen, die der
wenigen oder die der vielen, sind Perversionen“, schrieb Aristoteles.
Der Humanist Peter L.P. Simpson nennt diese Perversionen die „Sophisterei der
Oligarchen“. Damit meint er, dass diese, nachdem sie die Macht übernommen haben,
rationale, umsichtige und durchdachte Antworten auf soziale, ökonomische und
politische Probleme ignorieren, um stattdessen ihre unstillbare Gier zu
bedienen. Das letzte Stadium jeder Zivilisation ist durch diese Sophisterei der
Oligarchen gekennzeichnet, die den verwesenden Kadaver des Staates verwüsten.
Diese „entarteten“ Regierungsformen werden durch gemeinsame Eigenschaften
bestimmt. Die meisten davon hatte schon Aristoteles erkannt. Oligarchen nutzen
Macht und Herrschaftsstrukturen ausschließlich für ihr persönliches Fortkommen.
Auch wenn sie öffentlich von einem Abbau des Verwaltungsapparates sprechen,
vergrößern die Oligarchen stattdessen das Staatsdefizit und erweitern Umfang und
Machtbefugnisse der Strafverfolgungsbehörden und des Militärs, um ihre globalen
Geschäftsinteressen zu schützen und im Inneren die soziale Kontrolle
sicherzustellen.
Jene Bereiche des Staates, die dem Gemeinwohl dienen, verkümmern im Namen von
Deregulierung und Sparprogrammen. Dagegen wachsen all jene Bereiche, die die
Macht der Oligarchen befördern, im Namen nationaler Sicherheit, ökonomischen
Wachstums sowie Recht und Ordnung.
Beispielsweise schicken Oligarchen ihre Kinder in Privatschulen und erkaufen
ihnen Zugang zu Eliteuniversitäten und sehen daher auch keine Notwendigkeit,
gute öffentliche Bildung für die breite Masse der Bevölkerung zu fördern.
So ist es auch mittelmäßigen Studenten wie Jared Kushner oder Donald Trump
möglich, die Harvard University beziehungsweise die University of Pennsylvania
zu besuchen. Oligarchen können sich ganze Teams hoch bezahlter Anwälte leisten,
die ihnen und ihren Familien bei Rechtsschwierigkeiten aus der Klemme helfen.
Daher besteht aus ihrer Sicht keine Notwendigkeit, finanzielle Mittel für die
Rechtsvertretung armer Menschen bereitzustellen.
Wenn Oligarchen nicht mit einem Privatjet fliegen, fliegen sie in der First
Class und gestatten es den Fluggesellschaften daher, die Touristenklasse zu
übervorteilen und auszunutzen. Sie nutzen weder U-Bahn, Bus noch Zug und kürzen
daher die Mittel für Wartung und Verbesserung dieser öffentlichen Dienste
drastisch. Oligarchen verfügen über Privatkliniken sowie private Ärzte und
wollen daher nicht für öffentliche Gesundheitsfürsorge oder staatliche
Krankenversicherungen zahlen.
Oligarchen verabscheuen die Presse, welche, wenn sie funktioniert, ihre
Verlogenheit und Korruption ans Tageslicht bringt. Daher kaufen sie die Medien
auf und kontrollieren sie, um ihre Kritiker an den Rand der Gesellschaft zu
drängen. Ein Vorgang, den sie durch die Abschaffung der Netzneutralität weiter
beschleunigen werden.
Oligarchen machen auch keinen Urlaub an öffentlichen Stränden und besuchen keine
öffentlichen Parkanlagen. Sie besitzen ihr eigenes Land, ihre eigenen Anwesen,
zu denen sonst niemand Zugang hat. Sie sehen daher auch keinen Grund dafür,
öffentliche Parks zu unterhalten oder zu finanzieren oder öffentlichen Grund und
Boden zu schützen.
Sie übergeben diesen Grund und Boden daher anderen Oligarchen, die ihn zu
Profitzwecken nutzen. Zynisch sehen Oligarchen Gesetze als Hebel, um ihren
Betrug und ihre Plünderungen zu legalisieren. Sie nutzen ihre Lobbyisten
innerhalb der Legislative einer Regierung, um Gesetze zu verfassen, die mittels
Steuervermeidung und anderen Maßnahmen ihren Reichtum vermehren und schützen.
Oligarchen gestatteten keine freien und fairen Wahlen.
Sie manipulieren die Wahlkreiseinteilung zu ihrem Vorteil und leisten
Wahlkampfhilfe, um sicherzustellen, dass andere Oligarchen wieder und wieder
gewählt werden. Viele stehen ohne wirkliche Konkurrenz zur Wahl.
Oligarchen betrachten Regulierungen zum Schutze der Umwelt oder der Arbeitnehmer
als Behinderung ihres Profits und beseitigen sie. Oligarchen verlagern
Industrien nach Mexiko oder China, um ihren Reichtum zu mehren, während
US-amerikanische Arbeiter verarmen und Städte der USA in Trümmern liegen.
Oligarchen sind Kunst-Banausen. Sie sind taub, ignorant und blind gegenüber
großen Werken der Kunst und weiden sich stattdessen an geschmacklosen
Spektakeln, patriotischem Kitsch und stumpfsinniger Unterhaltung. Sie verachten
Künstler und Intellektuelle, die Tugenden und Selbstkritik befördern, welche mit
der Gier der Oligarchen nach Macht, Prominenz und Reichtum in Konflikt geraten.
Oligarchen entfesseln stets Kriege gegen die Kultur, attackieren sie als elitär,
unbedeutend und amoralisch und kürzen schließlich deren finanzielle Mittel. Alle
sozialen Dienste und Einrichtungen, wie sozialer Wohnungsbau, öffentliche Parks,
Mahlzeiten für alte Menschen, Infrastrukturprojekte, Wohlfahrtsprogramme und
soziale Sicherungssysteme, werden von den Oligarchen als Geldverschwendung
betrachtet. Diese Dienste werden ausgeweidet oder an andere Oligarchen
weitergereicht, welche daraus Profit schlagen, bis sie zugrunde gerichtet sind.
Oligarchen geben vor, große Patrioten zu sein, auch wenn sie selbst nie im
Militär gedient haben und sicherstellen, dass ihre Kinder nie werden dienen
müssen. Sie attackieren all jene, die sich ihnen widersetzen, als
Anti-Amerikaner, Verräter oder Agenten einer fremden Macht. Sie nutzen die
Sprache des Patriotismus, um Hass gegen ihre Kritiker zu schüren und ihre
Verbrechen zu rechtfertigen. Oligarchen teilen die Welt in schwarz und weiß: in
jene, die loyal zu ihnen zu stehen, und jene, die ihre Feinde sind.
Sie weiten dieses verkümmerte Wertesystem auf die Außenpolitik aus. Diplomatie
werfen sie über Bord für plumpe Drohungen und den rücksichtslosen Gebrauch von
Gewalt, welches die bevorzugten Formen der Kommunikation aller Despoten sind.
Es herrscht weitgehend Einigkeit darüber, dass wir in einer Oligarchie leben.
Das reichste 1 Prozent der US-amerikanischen Familien kontrolliert 40 Prozent
des nationalen Reichtums, eine Kenngröße ähnlich dem, was wir weltweit
beobachten können:
|
Das reichste 1 Prozent der Weltbevölkerung
besitzt mehr als die Hälfte des weltweiten Reichtums. |
Dieser Reichtum bedeutet politische Macht. Die Politikwissenschaftler Martin
Gilens von der Princeton University und Benjamin Page von der Northwestern
University schlussfolgerten, nachdem sie Unterschiede in der öffentlichen
Meinung quer durch alle Einkommensgruppen zu einem breiten Themenspektrum
untersucht hatten:
„Unsere Forschungsergebnisse deuten darauf hin, dass in den Vereinigten Staaten
nicht die Mehrheit herrscht – zumindest nicht im Sinne der Entscheidung
politischer Ergebnisse. Wenn eine Mehrheit der Bürger nicht mit ökonomischen
Eliten und/oder organisierten Interessen übereinstimmt, verlieren sie in der
Regel. Mehr noch […] selbst wenn eine ziemlich große Mehrheit der Amerikaner
einen Politikwechsel bevorzugt, erreicht sie diesen in der Regel nicht.“
Die Oligarchen beschleunigen den sozialen, politischen, kulturellen und
ökonomischen Kollaps. Die unkontrollierten Plünderungen führen zum Zusammenbruch
der Systeme. Die Weigerung, natürliche Ressourcen oder die ökonomischen
Triebfedern, die den Staat erhalten, zu schützen, bedeutet, dass Armut zur
Normalität und die Welt zu einer giftigen Ödnis wird.
Grundlegende Institutionen erfüllen ihren Dienst nicht mehr. Auf die
Infrastruktur ist nicht länger Verlass. Wasser, Luft und Boden sind vergiftet.
Die Bevölkerung bleibt ungebildet und unausgebildet sowie verarmt zurück,
unterdrückt durch Organe der inneren Sicherheit und heimgesucht von
Verzweiflung. Letztendlich geht der Staat bankrott.
Die Oligarchen reagieren auf diesen zunehmenden Verfall, indem sie Arbeiter
zwingen, mehr Arbeit für weniger Lohn zu leisten und starten
selbstzerstörerische Kriege in dem vergeblichen Versuch, ein goldenes Zeitalter
wiederauferstehen zu lassen. Einerlei wie sehr sich die Situation verschlimmert
hat, bestehen sie darauf, ihren verschwenderischen und hedonistischen
Lebenswandel aufrechtzuerhalten. Sie strapazieren weiter die Ressourcen des
Staates, das Ökosystem und die Bevölkerung mit geradezu selbstmörderischen
Forderungen.
Sie fliehen vor dem drohenden Chaos in abgeriegelte Anlagen, moderne Versionen
von Versailles oder der Verbotenen Stadt. Sie verlieren jeden Realitätsbezug.
Zum Schluss werden sie entweder gestürzt oder sie zerstören den Staat. Es ist
keine Institution in den USA verblieben, die noch demokratisch genannt werden
kann, und somit kein innerer Mechanismus, der den Abstieg in die Barbarei
verhindern könnte.
“Die politische Rolle der Macht der Unternehmen, die Korruption der politischen
und repräsentativen Prozesse durch den Lobbyismus der Industrie, die Erweiterung
der Macht der Exekutive auf Kosten der verfassungsrechtlichen Beschränkungen und
der Verfall des politischen Dialogs, gefördert durch die Medien, sind die
Grundlage, nicht die Auswüchse des Systems“, schrieb der politische Philosoph
Sheldon Wolin in „Democracy Incorporated: Managed Democracy and the Specter of
Inverted Totalitarianism“.
Und weiter: „Dieses System bliebe auch dann erhalten, wenn die Demokratische
Partei die Mehrheit erlangte; und sollte dieser Umstand eintreten, wird das
System allen unwillkommenen Änderungen enge Grenzen setzen, wie es sich bereits
in der Zaghaftigkeit der aktuellen Reformanträge der Demokraten andeutet.
Letzten Endes zeigt sich, dass die viel gerühmte Stabilität und der
Konservatismus des amerikanischen Systems nicht auf erhabene Ideale zurückgehen,
sondern ausschließlich darauf, dass es mit Korruption durchsetzt ist und in
finanziellen Zuwendungen vorrangig reicher Spender sowie spendenden Unternehmen
schwimmt. Wenn Kandidaten für das Repräsentantenhaus und gewählte Richter ein
Minimum von einer Million Dollar brauchen und wenn Patriotismus ausschließlich
dafür da ist, dass die vom Wehrdienst Befreiten ihn feiern und die gewöhnlichen
Bürger dienen, in solchen Zeiten ist es schlicht ein Zeichen von Arglist zu
behaupten, dass die Politik, wie wir sie kennen, auf wundersame Weise alle Übel
heilen könne, welche tatsächlich grundlegend für das Bestehen eben dieser sind.“
Je länger wir von Oligarchen beherrscht werden, desto tödlicher wird unsere
Zwangslage, zumal sich die Oligarchen weigern, sich mit dem Klimawandel zu
befassen, der größten existentiellen Krise der Menschheit.
Die Oligarchen haben viele Mechanismen, inklusive umfassender Überwachung, um
uns in Schach zu halten. Sie werden vor nichts haltmachen, um die „Sophisterei“
ihrer Herrschaft zu erhalten.
Geschichte mag sich nicht wiederholen, aber sie hallt nach. Und wenn wir diesen
Nachhall der Geschichte nicht erkennen und aufbegehren, werden wir in die
Schlachthöfe getrieben werden, die Gewaltherrschaften errichten, wenn es mit
ihnen zu Ende geht.
Redaktionelle Anmerkung [Rubikon]: Dieser Text erschien zuerst
unter dem Titel „The
Deadly Rule oft he Oligarchs". Er wurde vom ehrenamtlichen
Rubikon-Übersetzungsteam übersetzt
und vom ehrenamtlichen
Rubikon-Korrektoratsteam lektoriert.
Quelle: rubikon.news(verlinkt) |
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Chris Hedges
ist Journalist, Pulitzer-Preis-Gewinner und Autor der New York
Times- Bestsellerliste. Er war früher Professor an der Princeton Universität,
Aktivist und ordinierter presbyterianischer Pastor. Unter seinen Büchern
befinden sich Bestseller wie „Der Lohn des Aufstands: Der moralische Imperativ
der Revolte“, „Das Reich der Illusion: Das Ende der Bildung und der Triumph des
Spektakels“ und „Amerikanische Faschisten: Die christliche Rechte und der Krieg
mit Amerika“. Sein Buch „Krieg ist eine Kraft, die uns Bedeutung verleiht“ wurde
40.000 Mal verkauft und war Finalist des Nationalen Preises des
Buchkritiker-Verbandes für Sachliteratur. Er schreibt eine wöchentlich
erscheinende Kolumne für das Internet-Magazin Truthdig und moderiert die Sendung
„On Contact“ bei RT America. |
Link zum Originaltext bei ' rubikon.news ' ..hier
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Tags: Chris Hedges,
Herrschaft, Oligarchen, Faschismus, Kapitalismus, Kommunismus, Kleptokratie, Korruption,
Militarismus, Antifaschismus, unheilige Allianz |
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