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26.09.2017 15:30
Kurdistan: was sich hinter
dem Referendum verbirgt
In einer Welt, in der Bilder mehr als die Realität zählen, spricht die Presse
von einem demokratischen Referendum für die Unabhängigkeit vom Irakischen
Kurdistan. Aber abgesehen davon, dass das Referendum verfassungsrechtlich im
ganzen Irak stattfinden müsste und nicht nur im Unabhängigkeitsbereich, wurden
bereits mehrere Millionen nicht-kurdischer Wähler schon aus ihren Häusern
verjagt und können nicht mehr dorthin zurückkehren... [Quelle:
voltairenet.org] JWD
...In den Wahllokalen werden nur die Separatisten die Ordnungsmäßigkeit der
Wahlen überwachen. Thierry Meyssan enthüllt diesen Betrug und die Interessen,
die dahinter stecken.
Von Thierry Meyssan | Voltaire
Netzwerk | Damaskus (Syrien) | 26. August 2017

Quelle: voltairenet.org (verlinkt)
Auf diesem Wahlplakat geht die Karte des
"unabhängigen Kurdistan" über die autonome irakische Region hinaus,
bis in irakische und syrische Gebiete. |
Das Referendum für die Unabhängigkeit von Kurdistan ist ein Narrenspiel. Die
Vereinigten Staaten, die es verdeckt unterstützen, widersetzen sich ihm
öffentlich. Frankreich und das Vereinigte Königreich tun das Gleiche, in der
Hoffnung, dass Washington ihren alten Traum verwirklicht. Russland fehlt auch
nicht, und lässt hören, dass, obwohl es gegen einseitige Änderungen ist, es die
Unabhängigkeit unterstützen könnte… zumindest, wenn alle die Unabhängigkeit der
Krim zugestehen und infolgedessen ihren Anschluss an Moskau.
Der Grad der Heuchelei der ständigen Mitglieder des UN-Sicherheitsrates ist
derart, dass sie sich über dieses Thema, trotz ihrer scheinbaren Einstimmigkeit,
nicht einigen konnten. Sie haben keine Resolution (d.h. Text mit der Kraft des
Völkerrechts) erlassen, noch eine Erklärung des Vorsitzenden (d. h. einen
gemeinsamen Standpunkt der Rats-Mitglieder), sondern nur eine fadenscheinige
Pressemitteilung bei ihrem Treffen vom 19. September [1].
Derzeit gibt es acht nicht anerkannte Staaten: Abchasien, Nordzypern,
Berg-Karabach, Kosovo, Ossetien, Westsahara, Somaliland und Transnistrien.
Währenddessen erhoffen zwei europäische Regionen ihre Unabhängigkeit: Katalonien
und Schottland. Jede Änderung im Status des irakischen Kurdistan werden Folgen
für dieses Dutzend anderer Länder haben.
Die Unabhängigkeit des irakischen Kurdistan ist ein Gewaltakt, insoweit sie
bedeuten würde, das durch die Konferenz von Sèvres 1920 anerkannte Kurdistan vom
aktuellen türkischen Territorium auf irakisches Gebiet zu verlegen. Sicherlich
ist jedermann daran gewöhnt, das Wort Kurdistan zu verwenden, um diese Region zu
bezeichnen, in der London und Washington die langsame aber kontinuierliche
ethnische Säuberung seit 1991 überwacht haben.
Während der "Desert Storm" Operation beherbergte diese Region eine Mehrheit
kurdischer Iraker. London und Washington machten daraus eine No-Fly-Zone für die
Armee von Präsident Hussein. Sie setzten dort autoritativ einen ihrer
Mitarbeiter während des Kalten Krieges, Massoud Barzani, an die Macht, der die
Vertreibung der nicht-kurdischen Bevölkerung einleitete. Der gleiche Barzani,
obwohl zwei Mal seither gewählt, hält sich weiterhin seit mehr als zwei Jahren
ohne Mandat an der Macht. Die Nationalversammlung die seinen Abtritt verlangt,
traf sich nur einmal seit dem Ende seines Mandats, um für die grundsätzliche
Durchführung des Referendums zu stimmen, allerdings in Abwesenheit des Goran;
einer Partei, die nicht aufhört, das feudale System der Barzani und Talabani und
die Vetternwirtschaft und die Korruption, die sich daraus ergeben, anzuprangern.
Massoud Barzani ist in der Tat seit 26 Jahren ununterbrochen an der Macht.
Von 1991 bis 2003 verließen die nicht-kurdische Bevölkerung allmählich die
No-Fly-Zone, so dass diese Zone bei der Niederlage von Präsident Hussein zum
irakischen Kurdistan proklamiert wurde.
Am 1. Juni 2014 haben die Geheimdienste von Saudi Arabien, den Vereinigten
Staaten, Israel, Jordanien, der autonomen Region Irakisch-Kurdistan, Katar, des
Vereinigten Königreichs und der Türkei ein Vorbereitungstreffen der Invasion des
Irak durch Daesch in Amman (Jordanien) organisiert. Wir kennen die Existenz
dieses Treffens von dem türkischen Dokument, das Özgür Gündem sofort
veröffentlichte [2]. Diese Tageszeitung - mit der ich zusammengearbeitet habe –
wurde seither vom "Sultan" Recep Tayyip Erdogan geschlossen [3].
Dem Dokument zufolge wurde vereinbart, dass Daesch und die Region des irakischen
Kurdistan gemeinsam vorgehen. Daesh startete eine Blitz-Offensive, um Mosul
einzunehmen, während die irakischen Kurden Kirkuk einnahmen. Präsident Massoud
Barzani war vier Tage zuvor nach Jordanien gefahren, um Teilnehmer an dieser
Sitzung zu treffen. Er achtete darauf nicht öffentlich an der Sitzung
teilzunehmen, sondern wurde durch seinen Sohn Masrour, den Leiter seines eigenen
Nachrichtendienstes vertreten.
Als Daesch in den Teil des Irak einmarschierte, den die Vereinigten Staaten ihm
zuvor zugewiesen hatten, nahm Daesh im Zuge dieser Aktion die Jesiden gefangen
und machte sie zu Sklaven. Die überwiegende Mehrheit der Jesiden ist kurdisch,
aber gemäß der Vereinbarung von Amman, haben die benachbarten Barzani nicht
eingegriffen, selbst dann nicht, als einige von ihnen in die Sindschar-Berge
geflohen sind. Diese Flüchtlinge wurden letztlich durch Kommandos der türkischen
PKK gerettet. Die türkischen Kurden haben alle Flüchtlinge gerettet, ob sie
Kurden waren oder nicht. Sie nutzten diesen Sieg um Anerkennung durch den Westen
zu erlangen (der sie seit dem Kalten Krieg als Terroristen betrachtet). Die
aktuelle Neufassung dieses Vorgehens durch die Barzani, wird das Verbrechen
gegen ihr eigenes Volk aber nicht vergessen machen können [4].
Ein anderer berühmter Kurde nahm an dem Treffen in Amman teil: der islamistische
Mullah Kerkar. Dieser wurde in Norwegen inhaftiert, wo er eine fünf jährige
Gefängnisstrafe erhielt, weil er im Fernsehen der künftigen Premierministerin,
Erna Solberg, mit dem Tod drohte. Er flog zu diesem Gipfel in einem
NATO-Flugzeug und kehrte einige Tage später in seine Zelle zurück. Dann
offenbarte er, dass er Daesch den Treueid geschworen hat. Er wurde nicht für die
Mitgliedschaft in einer terroristischen Organisation verurteilt, sondern erhielt
einen Strafnachlass von zwei Jahren und wurde auf freien Fuß gesetzt. Dann
leitete er Daesch in Europa, von Oslo aus, unter dem Schutz der NATO. Natürlich
funktioniert das NATO-Stay-Behind-Netzwerk immer noch [5].
Nach der Annektierung von Kirkuk erweiterte die Regionalregierung des irakischen
Kurdistan die ethnische Säuberung auf den Bereich, in dem seine Mitglieder von
1991 bis 2003 in der No-Fly-Zone schon gewütet hatten.

Quelle: voltairenet.org (verlinkt)
Man kann beruhigt sein: der unabsetzbare Präsident Barzani hat versichert, dass
er nicht gegen die Wähler vorgehen würde, die "Nein" stimmen würden. |
Der verfassungswidrige Präsident Barzani hat angekündigt, dass alle Menschen des
Irakischen Kurdistan und der annektierten Gebiete an der Volksabstimmung
teilnehmen können werden. In der ganzen Region lebten im Jahr 2013 mehr als 12
Millionen Bürger. Zwischenzeitlich aber waren 3 Millionen nicht-kurdische Bürger
gezwungen, aus ihnen zu fliehen. Es sind daher ausgesuchte Wähler, die zu den
Urnen gerufen wurden, um über die Zukunft zu entscheiden, anstelle der
rechtmäßigen vertriebenen Einwohner und auch aller anderen Iraker.
Zur Teilnahme an diesem Referendum muss man:
in Kurdistan oder in den annektierten Bereichen wohnen;
über 18 Jahre alt sein;
sich vor dem 7. September auf den Wählerverzeichnissen registriert haben;
und als Flüchtlinge im Ausland, muss man registriert sein, um elektronisch
abstimmen zu können... was bedeutet, dass sie zuerst ihre Papiere der
Wahlbehörde Kurdistans, das sie vertrieben hat, präsentieren müssen. Darüber hinaus haben die Barzani eine ganz eigenartige Vorstellung von den
Bevölkerungen, die zur Abstimmung aufgerufen werden. Im Jahr 1992 haben sie nur
971 953 Wähler gezählt, aber zehn Jahre später, im Jahr 2014, waren sie
plötzlich 2 129 846, und jetzt 3.305.925, am 25. September 2017.
Die Unabhängigkeit wird den Barzani- und Talabani-Stämmen zusätzliche Mittel
geben, um weiterhin ihre Geschäfte zu machen. Sie wird auch Israel Gelegenheit
bieten, einige seiner militärischen Ziele umzusetzen. Seit Ende der 1990er Jahre
und der Entwicklung der Raketen hat Tsahal (IDF) die Strategie der Besetzung der
"Randgebiete" aufgegeben, d. h. die Gebiete unmittelbar außerhalb seiner eigenen
Grenzen (Sinai, Golan, Süd-Libanon). Stattdessen will es Ägypten, Syrien und den
Libanon neutralisieren, indem es sie von rückwärtigen Räumen bedroht. Tel Aviv
hat daher die Schaffung des Süd Sudan im Jahr 2011 gefördert, um dort Raketen
aufzustellen, die auf Ägypten abzielen und unterstützt heute die Kreierung von
Kurdistan, um Raketen auf Syrien zu richten.
Laut Israel-Kurd, ausführlich von der türkischen Presse zitiert, hat sich der
israelische Premierminister Benjamin Netanyahu gegenüber Massud Barzani
verpflichtet, 200 000 Israelis in den neuen Staat zu schicken, um zu "helfen"
ihn zu verwalten [6].
Seiner Logik zufolge wäre es für Tsahal ideal, das Gebiet vom irakischen
Kurdistan nicht nur bis Kirkuk, sondern auch bis in den Norden von Syrien zu
erweitern. Das ist die Arbeit der YPG und von ihrem "Rojava“. Dieser
selbsternannte autonome Staat ist geographisch ein langer Korridor, der das
irakische Kurdistan mit dem Mittelmeer verbindet, der von amerikanischen Truppen
besetzt ist, die dort illegal mehrere Militärbasen eingerichtet haben.
Acht Monate vor der Versammlung in Amman bestätigte eine Forscherin des
Pentagons, Robin Wright, die Zustimmung ihres Landes zu diesem Projekt [7].
Damals versicherten die Barzani noch, alle Kurden zu verteidigen, einschließlich
jener mit Wohnsitz in der Türkei und im Iran. Frau Wright erklärte doktorhaft,
dass dieses Projekt unmöglich wäre, aber gab die Karte des "Sunnistan" heraus,
das Daesch zugeschrieben war und des "Kurdistan", das den Barzani im Irak und in
Syrien zugeschrieben war.
Das Pentagon startete kürzlich im letzten August ein Ausschreibungsverfahren, um
500 Millionen Dollar Waffen und Munition, vor allem von ehemaliger sowjetischer
Herkunft, zu kaufen und nach Syrien zu liefern [8]. Die ersten 200 Lastwagen
wurden an die YPG in Hassake am 11. und 19. September über das irakische
Kurdistan geliefert, ohne durch die Dschihadisten angegriffen zu werden [9]. Das
russische Verteidigungsministerium hat gerade Satellitenfotos eines US-Special
Forces Lagers mitten im Gebiet von Daesch, das dort in gutem Einvernehmen mit
den Kurden und den Dschihadisten lebt, öffentlich zugänglich gemacht [10].
Aber da man uns sagt, dass dieses "unabhängige Kurdistan" ein kurdisches
demokratisches Projekt ist, warum sollten wir daran zweifeln?
Autor: Thierry Meyssan | Übersetzung: Horst
Frohlich | Quelle:
Al-Watan (Syrien)
[1] « Déclaration du Conseil de sécurité sur le Kurdistan iraquien », Réseau
Voltaire, 21 septembre 2017.
[2] « Yer : Amman, Tarih : 1, Konu : Musul », Akif Serhat, Özgür Gündem, 6
juillet 2014.
[3] Jene ihrer Journalisten, die der Säuberung entkamen und denen die Flucht
gelang, schufen die elektronische Tageszeitung Özgürlükçü Demokrasi ausserhalb
der Turquie.
[4] „Die Neuschrift des Massakers von Sindschar“, Übersetzung Horst Frohlich,
Voltaire Netzwerk, 12. September 2017.
[5] Nato-Geheimarmeen in Europa : Inszenierter Terror und verdeckte
Kriegsführung, Daniele Ganser, Orell Fuessli, 2008.
[6] „200 000 Israelis in "Kurdistan" erwartet, sobald die Unabhängigkeit
ausgerufen ist“, Übersetzung Horst Frohlich, Voltaire Netzwerk, 20. September
2017.
[7] “Imagining a Remapped Middle East”, Robin Wright, The New York Times Sunday
Review, September 28, 2013.
[8] “Heikle Fracht aus Ramstein”, “Millionen Schuss Munition für Kalaschnikows”,
Frederik Obermaier & Paul-Anton Krüger, Süddeutsche Zeitung, 12. & 20. September
2017.
[9] „200 Lkw mit Waffen und Munition vom Pentagon an die YPG geliefert“,
Übersetzung Horst Frohlich, Voltaire Netzwerk, 25. September 2017.
[10] « Le ministère russe de la Défense diffuse des photos des Forces US
stationnées chez Daesh », Réseau Voltaire, 24 septembre 2017.
Thierry Meyssan: Politischer Berater, Präsident und Gründer des Réseau
Voltaire und der Konferenz Axis for Peace. Er veröffentlicht Analysen über
ausländische Politik in der arabischen, latein-amerikanischen und russischen
Presse. Letztes, auf Französisch veröffentlichte Werk: Sous nos yeux - Du 11-Septembre à
Donald Trump..
Dieser Beitrag ist unter Lizenz der Creative Commons
(CC BY-NC-ND
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Die ganz neue "Rojava"
wird im Westen als Realisierung einer schönen Utopie dargestellt, ist aber in
Wirklichkeit ein von Washington gewollter und mit Blutvergießen organisierter
Kolonialstaat. Es geht diesmal darum, die Bewohner des Nordens von Syrien zu
verjagen und sie durch Leute zu ersetzen, die dort nicht geboren sind. Um diese
ethnische Säuberung durchzuführen, haben das Pentagon und die CIA Kämpfer in
europäischen linken Kreisen mobilisiert. Thierry Meyssan enthüllt dieses
verrückte Projekt, das seit eineinhalb Jahren im Gang ist. [Quelle:
voltairenet.org] JWD
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man, dass alle, selbst die sektiererischsten Meinungen, sich ausdrücken und in
der britischen Kolonie gedeihen konnten. [Quelle:
voltairenet.org] JWD
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Tags:
Antiimperialistisches Lager, Kurden Kurdistan, Referendum, Nordsyrien,
Israel, Marsacker von Sindschar, Waffenschmuggel, Stellvertreterkrieg |
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