01.11.2018 15:00 Hannes Hofbauer:
„Kriege stoppen! Das wäre das oberste Gebot“
Medien berichten viel über Migration, aber die Auswirkungen der Migration auf
die Herkunftsländer übersehen sie oft. Das sagt der Wiener Verleger Hannes
Hofbauer im Interview mit den NachDenkSeiten. Hofbauer, der sich seit Jahren mit
dem Thema Migration beschäftigt, betont im Interview, welche weitreichenden
Auswirkungen die Abwanderung vieler Menschen aus ihrer Heimat für diese
Herkunftsländer hat und warnt davor, die politischen Ursachen und Hintergründe
von Migration auszublenden... [Quelle:
nds.de / von Markus Klöckner] JWD
Quelle: RT-Deutsch | veröffentlicht
14.10.2018
"Kritik der Migration" –
Österreichischer Historiker Hannes Hofbauer im
Gespräch
Normalerweise kennt man Kritik an Migration eher vom rechten
politischen Spektrum. Nun aber hat ein linker Historiker ein ganzes
Buch zum Thema geschrieben. Hannes Hofbauers neues Werk "Kritik der
Migration" stellt die Frage, wer dabei verliert und wer davon
profitiert.
Im Gespräch mit Jasmin Kosubek erläutert Hofbauer, wie der Migrant
als Deregulierer für Arbeits- und Wohnungsmarkt missbraucht wird und
warum die linke Parole "No Border" nichts anderes als eine
kapitalistische Forderung ist. (zum
Originaltext ..hier)
(Fortsetzung nds.de/Markus Klöckner) ...Herr Hofbauer, warum bedarf es einer Kritik der Migration?
Migration ist Zeichen von Ungleichheit auf der Welt. Diese Ungleichheit wächst.
Deshalb müssen wir uns kritisch, und nicht verschleiernd oder mit einer
rosaroten Brille mit Migration und ihren tatsächlichen Ursachen
auseinandersetzen. Regional, aber auch weltweit, ist zu beobachten, dass
unterschiedliche Gegebenheiten, die in den jeweiligen Ländern vorherrschen,
aufeinanderprallen. Sie führen zu schweren Verwerfungen. Die Herkunftsländer der
Menschen, die ihre Heimat aufgrund der Hoffnung auf ein besseres Leben
verlassen, werden regelrecht ausgesaugt, weil sie die jungen, flexiblen
Arbeitskräfte an andere Länder verlieren. Und auch in den Zielländern, die in
mancherlei Hinsicht von Migration profitieren oder profitieren können, nehmen
die Probleme, die sich aus der Migration ergeben, zu.
Erfasst die Medienberichterstattung Migration ausreichend?
Zugespitzt lautet der vorherrschende Tenor in den Medien: Migration ist gut für
die Gesellschaften, die Migranten in großer Zahl aufnehmen. Eine vorherrschende
Sicht ist, dass notwendige Arbeiten, die schwer und schmutzig sind, von
Einheimischen nicht gerne verrichtet werden. Also könne die reiche Gesellschaft
dankbar sein, dass Migranten diese Arbeiten übernehmen. Die Frage ist jedoch:
warum werden die wenig attraktiven, schmutzigen Arbeiten so schlecht bezahlt.
Dabei geht es letztlich um das Verhältnis von Arbeit und Kapital, auf unsere
Frage heruntergebrochen: um die Lohnhöhe. Dass es auch anders geht, zeigt ein
Beispiel aus Wien. Dort ist die Müllabfuhr in Gemeindehand. Als Müllmann tätig
zu sein, hört sich vielleicht nicht besonders schön an, aber die Wiener
Müllmänner werden sehr gut bezahlt und sind hochangesehene Leute. Ist also der
politische Wille da, kann für dreckige Arbeiten ein guter Lohn bezahlt werden.
Dann sind auch Einheimische bereit, sie zu verrichten. Wenn Migranten aber in
solche Jobs gepresst werden, weil sie eher schlechte Bedingungen und schlechte
Bezahlung in privatisierten Unternehmen wie zum Beispiel den Paketdiensten
akzeptieren, dann stimmt etwas Grundlegendes nicht.
Medien konzentrieren sich also nicht genug auf die politischen Hintergründe
der Migration?
Wenn in den großen Medien die Meinung vorherrscht, Migration sei eine
Notwendigkeit für unsere Gesellschaft, dann wird sehr oft übersehen, was
Migration für die Herkunftsländer bedeutet. Nehmen wir zum Beispiel das
Gesundheitswesen. In einem Land wie Großbritannien kommen fast 40 Prozent der
Ärzte und Krankenschwestern aus peripheren Regionen, wie zum Beispiel Serbien,
Rumänien oder auch aus der Ukraine. In Deutschland sind es 10 Prozent. In den
Ländern Osteuropas werden die angehenden Ärzte und Krankenschwestern
ausgebildet. Diese Länder tragen also die Kosten, stellen die Ressourcen usw.
zur Verfügung, damit die Ausbildung ermöglicht wird. Da die Ausgebildeten aber
in Großbritannien das Zehnfache wie in Serbien verdienen, verlassen sie ihre
Heimat. Dieser Aderlass ist für die Herkunftsländer dramatisch. Bulgarien hat in
den vergangenen 25 Jahren 41% seiner aktiven Bevölkerung zwischen 25 und 40
Jahren verloren.
Rechte Medien sehen nun im Migranten den Hauptfeind, obwohl er das größte Opfer
dieser ungleichen Entwicklung auf der Welt ist. Und die Linke verharrt in einer
Art Schockstarre.
Sie haben das Verhalten der Politik angesprochen. Was hat die Politik des
Westens mit Migration zu tun?
Schauen wir auf die Partnerschaftsabkommen, die die Europäische Union mit über
30 Ländern Afrikas und der Karibik abgeschlossen hat.
Partnerschaftsabkommen?
Das sind Freihandelsabkommen, die die Märkte für Produkte großer Konzerne der EU
und überproduzierte europäische Landwirtschaftsprodukte öffnen. Formal soll das
auch umgekehrt gehen.
Wo ist das Problem?
Die Produkte des sogenannten „globalen Südens“, also zum Beispiel aus Afrika,
sind für den europäischen Markt oft nicht attraktiv genug, nicht
konkurrenzfähig. Was das bedeutet, liegt auf der Hand: Die
Partnerschaftsabkommen sind letztlich eine Markterweiterungsstrategie der
Europäischen Union. Das führt dazu, dass die lokalen Märkte der armen Länder
durch den Import europäischer Waren einer Konkurrenz ausgesetzt sind, der sie
nicht standhalten können. Die Auswirkungen sind schlimm. In Ländern wie Ghana
leiden hunderttausende Bauern unter diesen Partnerschaftsabkommen, weil sie ihre
eigenen Produkte – z.B. aus der Hühnerzucht – nicht mehr vor Ort verkaufen
können, da diese im Vergleich zu den importierten Tiefkühlhühnern aus der EU zu
teuer sind. Die örtlichen Bauern verlieren ihre Lebensgrundlage. Und damit sind
wir wieder beim Thema Migration. Die Söhne und Töchter dieser Bauern können auf
dem heimischen Agrarsektor nicht überleben, sie machen sich auf nach Europa –
als Migranten.
Wie sieht es mit Kriegen aus, die von westlicher Seite ausgehen?
Krieg ist ein wesentlicher Faktor für Migration. Menschen wollen logischerweise
nicht in Ländern leben, in denen ihnen Bomben auf den Kopf fallen. Sie flüchten
aus ihrer Heimat. Wenn die USA seit 1991 den Irak mit Krieg überziehen, dann
flüchten die Iraker. In Afghanistan, dem Jemen, Libyen und Mali spielt sich die
gleiche Tragödie ab. Wer würde nicht genau so handeln?
Das Problem ist, dass diese Ursachen für Migration bei uns zwar bekannt sind, im
Getöse um die Willkommenskultur allerdings oft untergehen. Man konzentriert sich
aufs Helfen und vergisst die Kritik der Ursachen. Helfen ohne Kritik der
Ursachen legitimiert diese sogar in gewisser Hinsicht.
Was müssten Politiker tun, um Ursachen für Migration zu beseitigen?
Kriege stoppen! Das wäre das oberste Gebot. Kriege, an denen die USA und andere
NATO-Staaten beteiligt sind, dürfen nicht fortgeführt werden. Die NATO führt
seit 25 Jahren Krieg gegen muslimische Länder. Die in meinem Buch „Kritik der
Migration“ so genannte „Große Wanderung der Muslime“ im Jahr 2015 ist die
Antwort darauf.
Außerdem müssen die Partnerschaftsabkommen kritisch diskutiert und Schritt für
Schritt zurückgenommen werden. Aber die Politik geht in eine ganz andere
Richtung. In Ruanda blockiert der Präsident die Altkleiderimporte aus Europa und
den USA. Diese Altkleider sorgen für eine Zerstörung des heimischen
Textilmarktes. Bürger hierzulande kommen sich zwar gut dabei vor, wenn sie
Kleider spenden, aber wenn diese Kleider in ein Land wie Ruanda gelangen,
entsteht Schaden, kein Nutzen.
Also: regionale Schutzmaßnahmen müssen von Ländern der Peripherie ergriffen
werden können, ohne dass unsere Politik aufschreit und den „freien Welthandel“
gefährdet sieht. Genau der ist Ursache sozialer Verwerfungen im Süden und Osten,
die nun über die Migration auch uns betreffen. Außerdem: Wir dürfen nicht den
Fehler machen, davon auszugehen, Ungleichheiten existierten nur zwischen der EU
und Afrika. Auch innerhalb der EU gibt es seit Jahrzehnten massive
Ungleichheiten. Wenn wir uns damit auseinandersetzen, kommen wir zu einer
traurigen Erkenntnis. Es ist nämlich nicht so, dass die EU gegen diese
Ungleichheit vorgeht. Nein, die Verantwortlichen unternehmen nichts, weil die EU
auf dieser Ungleichheit basiert.
Wie meinen Sie das?
Die EU basiert auf der Gleichzeitigkeit von ökonomischer Konvergenz (damit ist
gemeint, dass die wirtschaftlichen Spielregeln in allen EU-Länder gleich sind)
und sozialer Divergenz (damit ist gemeint, dass das Soziale, also Arbeitsrechte,
Löhnen usw. nicht gleich sind).
Bei einer Lohndifferenz von 1 zu 8, wie es zwischen Deutschland und Bulgarien
der Fall ist, ist es doch nur verständlich, dass die jungen Bulgaren ihre Heimat
verlassen und nach Deutschland oder Schweden gehen.
Damit können wir auch an das anknüpfen, was ich eben schon zu Großbritannien
gesagt habe. Ein enormer Druck auf die Löhne entsteht. Einheimische
Arbeitskräfte stehen Menschen gegenüber, die bereit sind, für viel weniger Geld
zu arbeiten. Die Auswirkungen sind weitreichend und haben im Fall von England
auch die Abstimmung zum Brexit beeinflusst.
Aber selbst in Deutschland sehen wir das Problem. Das Lohnniveau zwischen West
und Ost ist noch immer unterschiedlich. Da verwundert es nicht, dass in den
letzten 25 Jahren 16 Prozent der Ostdeutschen nach Westdeutschland gezogen sind.
Für die armen Regionen bedeutet diese Entwicklung, dass sie noch weiter
verarmen. Wir haben es nicht nur mit politischen Fehlentscheidungen zu tun. Die
Herrschaft des Kapitals beeinflusst maßgeblich die Politik, über die wir hier
sprechen.
Lesetipp: Hofbauer,
Hannes: Kritik der Migration. Wer profitiert und wer verliert. Promedia 2018
31.10.2018 [Quelle: norberthaering.de] Warum sich vor allem die Linke
vor einer Merz-CDU fürchten muss
Die Kommentatoren interpretieren die Kandidatur von Friedrich Merz für den
CDU-Vorsitz bevorzugt als Problem für die AfD, weil Merz konservativ und
leitkulturaffin ist. Das ist viel zu kurz gedacht. Das größte Problem hätte die
Linke.
Friedrich Merz ist ein marktliberaler Sozialstaatskritiker und ein mit der
internationalen Finanzbranche assoziierter Transatlantiker, der sich für die
Durchsetzung einer deutschen Leitkultur ausgesprochen hat. Wenn er den
CDU-Vorsitz übernehmen und die Partei in seine Richtung drehen sollte, könnte
diese tatsächlich von der AfD einige Wähler zurückholen, und zwar vom
marktliberalen, gemäßigt islamkritischen Flügel, also von der
Alice-Weidel-Fraktion. [....]