08.08.2018 16:40
Lawrence Wilkerson erklärt USA-Außenpolitik
Die Mehrheit der Meinungsführer in Deutschland haben immer noch ein verklärtes
Bild von den USA. Die Lektüre des Textes von Florian Linse könnte aufklärend
wirken. Er hat den Vortrag eines Insiders, von Lawrence Wilkerson, u.a.
Stabschef des US-Außenministers Powell in der Zeit der Präsidentschaft von
George W. Bush, angehört, übersetzt und berichtet. Er arbeitete, so Wilkerson,
für eine Regierung, die sich sagte: ‚zum Teufel mit dem Rest der Welt’... [Quelle:
nds.de] JWD
...Er berichtet von der Unzahl verdeckter Operationen. Und liefert auch eine
Erklärung für den rätselhaften Wandel des deutschen Außenministers Joschka
Fischer. Hier der Bericht von Florian Linse. Ein spannender und erhellender
Bericht. Danke an Florian Linse für die große Mühe...
Von Florian Linse | nachdenkseiten.de | 08. August 2018
Quelle: 26.04.2019 |
veröffentlicht 26.04.2016
Empire Files: Abby Martin interviewt
US-Regierungsberater Wilkerson - "Das Schiff ist am Sinken"
Für den RT
Deutsch-Kooperationspartner Telesur interviewte Abby Martin den
ehemaligen US Army Colonel und früheren Sicherheitsberater der
Reagan-Regierung Lawrence Wilkerson.
Darüber hinaus war Wilkerson viele Jahre als Berater des
US-Außenministeriums unter Colin Powell aktiv. Heute spricht der
ehemalige Regierungsbeamte offen über die Korruption innerhalb der
politischen Elite und deckt auf, wie Wirtschaftsinteressen die
US-Außenpolitik bestimmen.
Wilkerson gewährt einen seltenen Insider-Blick auf die Hintergründe
US-amerikanischer Kriege, die Manipulation durch Geheimdienste und
die Verflechtung der Rüstungsindustrie mit politischen Interessen.
Den US-Imperialismus sieht er zum Scheitern verurteilt...
...weiterlesen
Fortsetzung (Florian Linse)
Manchmal wünscht man sich doch sehr, man könnte bei Gesprächen der obersten
Machtzirkel dabei sein. Könnte man nur Maus sein und lauschen, wie das wirklich
so abgelaufen ist bei denen dort ganz oben. Glücklicherweise will es das
Schicksal hin und wieder, dass einer, der in diesen Machtzirkeln dabei war, ja
sogar mitgewirkt hat, sich bereit erklärt, uns darüber zu berichten.
Um einen solchen Insider, der es bis ins Zentrum des US-amerikanischen
Machtapparats geschafft hat, handelt es sich bei Lawrence Wilkerson. Er begann
seine Laufbahn, wie so viele andere, bei der US-Armee. Er diente als
Hubschrauberpilot in Vietnam und im weiteren Verlauf insbesondere in
Lehreinrichtungen der Armee, die ganz unverblümt auch den Titel „War College“
(Kriegshochschule, da hat wohl das Amt für Neusprech und Euphemismen nicht
aufgepasst) im Namen trugen. 1989 wurde er Assistent Colin Powells, als dieser
gerade nationaler Sicherheitsberater während der Reagan-Regierung war.
Seine berufliche Laufbahn blieb weiterhin mit Colin Powell eng verknüpft, der
unter G.H.Bush Chairman of the Joint Chiefs of Staff war (bis Sep. 1993). Unter
George W. Bush wurde Powell Außenminister und Wilkerson sein Stabsleiter. Er war
verantwortlich für die Präparation des denkwürdigen Vortrags, den Colin Powell
im Februar 2003 vor dem UN-Sicherheitsrat hielt, der den Ratsmitgliedern die
Sinnhaftigkeit eines präemptiven Militärschlags gegen den Irak verkaufen sollte.
Dieser, auf falschen Tatsachen beruhende Vortrag, gestand sich Wilkerson als
Fehler[1] ein. Zusammen mit den Erkenntnissen schwerer Folterung durch
US-Militärpersonal an irakischen Gefangenen und der völligen Unfähigkeit der
US-Planer, im Iraq eine vertretbare Nachkriegsordnung herzustellen, fasste er
den Entschluss, den Dienst zu quittieren und mit seiner Meinung an die
Öffentlichkeit zu gehen[2].
Quelle: CIGI (Centre for International Governance
Innovation) | veröffentlicht 16.10.2014
Vortrag: The Travails of Empire
Wilkerson hielt vor einigen Jahren einen
Vortrag unter dem Titel „The Travails of Empire“ (also die Mühen, die Wehen
oder auch die Niederkunft einer Weltmacht). Er erzählt dort an einigen Stellen
recht autobiographisch, teils anekdotenhaft von Geschehnissen in den Zentren der
Macht. So z.B. in der Fragen- und Antworten-Phase dieses Vortrags, als er
gefragt wird, wann die USA aufhören werden, aus Nationen, die ihnen nicht
feindlich gesinnt sind, die Feinde der Zukunft zu erschaffen?
Wilkerson:Gute Frage. Sie werden meine Antwort wahrscheinlich eigenartig
finden, aber es gab mal einen Herrn im Weißen Haus, der wollte die UN dermaßen
mit Vollmachten ausstatten, dass er bereit gewesen wäre, alle Atomwaffen zu
übergeben. Außerdem wollte er eine Vereinbarung mit der Sowjetunion über die
Öffnung der Lufträume, sodass die (Anm.: UdSSR) über uns (Anm.: USA) und wir
über die fliegen könnten, wann immer wir wollten. Sein Name war Dwight
Eisenhower und er war wahrscheinlich der letzte Präsident, der erfahren genug
war, um für den Job (Anm.: Als Präsident) befähigt zu sein.
So radikale Vorschläge gab es schon mal? Und die von einem amerikanischen
Präsidenten. Heute würde man nicht mal mehr auf so einen Gedanken kommen,
geschweige denn im Bekanntenkreis aussprechen. Man müsste befürchten, für irr
erklärt zu werden. Heute soll ein US-Präsident mit seinem russischen Kollegen
nicht einmal mehr reden. Aus der historischen Mainstream-Sicht scheinen solche
Vorschläge verbannt. Man hat es sich bequem gemacht im Paradigma des
West-Ost-Konflikts. Dabei wäre es dringend notwendig, neue, ungewöhnlichere
Lösungswege zumindest mit in die Diskussion zu werfen.
Nach einer Ausführung, dass auch Eisenhower nicht nur eine Friedenstaube war,
fährt Wilkerson fort: …Aber heutzutage haben wir eben keine Leute mehr mit
dieser Art Mut und Unerschrockenheit. Ich selbst arbeitete in einer Regierung,
die sich sagte: “Zum Teufel mit dem Rest der Welt“. (Anm.: Das war die Zeit, als Wilkerson während der Regierung G. W. Bush bei Colin Powell Stabschef des
Außenministeriums war.)
Die einzige Ausnahme war mein Chef (Anm.: Colin Powell). Und ich sah, was
geschah, wenn wir das sagten – zu den Deutschen, den Japanern, den Franzosen, zu
den Franzosen, wissen Sie, oh mein Gott (Anm.: Er sagt das so, als wolle er
ausdrücken, dass die Franzosen besonders heftig reagierten, Lachen im Publikum.)
Und ich erinnere mich, was der Präsident mit den Füßen auf dem Schreibtisch im
Oval Office über den deutschen Kanzler Schröder sagte (Anm.: Er soll ihn „Asshole“
genannt haben). Und ich erinnere mich, was mein Chef sagte, als wir in unser
Büro im Außenministerium zurückkamen: „Eine der wichtigsten Beziehung im
transatlantischen Bündnis und wir haben sie einfach mal ruiniert“.
Daraufhin rief er (Anm.: Powell) sofort den deutschen Außenminister Joschka
Fischer an und für die nächsten 4 Jahre arbeiteten die beiden nur noch unter dem
Tisch, um die US-deutschen Beziehung am Leben zu erhalten. Sie trafen sich
zusammen bei Keksen und Bier und allerhand anderer solcher Sachen. Um
Mitternacht im Büro des US-Außenministers konnte man ein gutes deutsches Bier
bekommen!
Es braucht solche Leute. Wir brauchen Leute, die denken, dass internationale
Zusammenarbeit, internationales Strafrecht, eben all die Dinge, für die wir
vorgeben, ein Vorbild zu sein, es wert sind, sich einzusetzen und dass dies eine
angebrachtere Vorgehensweise ist, als Bomben auf Völker zu werfen.
Viele haben sich immer gefragt, wie jemand wie Joschka Fischer, nachdem er
Außenminister geworden war, eine scheinbar so veränderte Haltung an den Tag
legen konnte. Also weg vom friedliebenden Grünen zu einem der mitverantwortlich
war für die Teilnahme der Bundeswehr am Jugoslawien-Krieg. Die Anekdote, die
Wilkerson hier zum Besten gibt, liefert zumindest einen Hinweis darauf, welch
extreme Situationen in diesen oberen Machtzirkeln gemeistert werden müssen und
dass man u.U. weit unterhalb der eigenen Ansprüche schon zufrieden sein muss.
Wilkerson erzählt auch an anderer Stelle[3], wie sehr Colin Powell sich dafür
einsetzte, um noch Schlimmeres unter der Bush-Regierung zu verhindern. Die
Herren Cheney und Rumsfeld müssen Berserker im politischen Betrieb gewesen
sein[4]. Damit will ich nicht sagen, dass Fischer entschuldigt ist, aber es
könnte eine Erklärung sein, was mit den Leuten passiert, die dort ganz oben
ankommen.
Wilkerson macht an einer Stelle seines Vortrags eine Erklärung in einer Art, als
wolle er keinen Zweifel mehr zulassen, dass die USA seit dem 2. Weltkrieg eine
Unzahl an Regierungsumstürzen mittels verdeckter Operationen durchgeführt haben.
Wilkerson:Alles zusammengerechnet (Militär, Geheimdienste, Homeland Security,
Energie Ministerium für Atomwaffen, Veteranen und mehr) geben die USA für
nationale Sicherheit im Jahr ca. 1,2 Billionen (Anm.:1.200 Milliarden) US-Dollar
aus. Das ist Herrschaft. Das ist die Herrschaft einer Nation, die Weltmacht ist…
Seit dem kalten Krieg ist es für unsere Präsidenten deutlich einfacher geworden,
die von mir sogenannten “schicksalshaften Entscheidungen” zu treffen (Anm.: Im
Englischen sagt Wilkerson „faithfull decisions”). Meine Studenten und ich haben
„schicksalhafte Entscheidungen“ als solche definiert, wenn junge Menschen für
Staatszwecke in den Tod geschickt werden oder, und das ist etwas, das wir in
meinem Land oft vergessen, um andere Menschen in anderen Ländern für
Staatszwecke zu töten.
Und wir sehen aus zwei Perspektiven darauf: Einmal aus der des Krieges, oder was
wir Krieg nannten, heute nennen wir das Konflikt, Feindseligkeiten oder
irgendeine andere beschönigende Umschreibung. Das andere sind verdeckte
Operationen, die sind kostengünstiger, aber die Ausführenden und Betroffenen
sind auf gleiche Weise tödlicher Gefahr ausgesetzt.
Während seiner achtjährigen Präsidentschaft ließ Ronald Reagan 58 verdeckte
Operationen durchführen. Von einigen kennen wir noch heute keine Details. Wenn
die amerikanischen Bürger Zugang zu den Details bekommen, weil die
Geheimhaltungseinstufung aufgehoben wird, wird es keinen mehr interessieren. Es
dauerte 25 Jahre, bis wir von der Beteiligung der USA am Sturz (Anm.: 1953) des
ersten demokratisch gewählten Präsidenten des Iran, Mohammad Mossadegh,
erfuhren. Ja, wir waren es, die ihn gestürzt haben. Ja, wir waren es, die im
Jahr darauf Arbenz in Guatemala stürzten[5]. Diese Aufzählung kann ich beinahe
endlos fortsetzen. Das ist die verdeckte Seite der imperialen Macht.
Meinen Sie, wir hatten nichts zu tun mit dem versuchten Sturz von Hugo Chavez in
Venezuela (Anm.: April 2002)? Natürlich hatten wir, ich war dort. Glauben Sie,
wir hatten nichts mit den kürzlichen Unruhen in Kiew zu tun? Wetten dass.
Glauben Sie, wir hatten nichts zu tun mit den Unruhen in Georgien (Anm.: August
2008), auf die Russland letztlich reagierte – und Israel auch? Sicherlich taten
wir. Glauben Sie, wir hatten nichts mit den Unruhen in Damaskus zu tun?
Natürlich hatten wir das. Wir haben nicht aufgehört mit diesen 58 verdeckten
Operationen in 8 Jahren, nur weil wir Präsidenten gewechselt haben. Dafür
verbürge ich mich. Also mag man sich die Frage stellen, was die Weltmacht in 10
bis 12 Jahren oder in 15 bis 25 Jahren preisgeben wird.
Preisgeben wird über die verdeckten Operationen, die heute so alle laufen? Wobei
verdeckte Operationen – covert Operations – auch schon eine verharmlosende
Redewendung ist, wenn man bedenkt, dass damit Länder oft in viele Jahrzehnte
andauerndes Unheil gestürzt werden. So wie das Beispiel Mossadeghs im Iran. Hier
ist die Beteiligung des US-Geheimdienstes CIA am Umsturz der Regierung
inzwischen offiziell bestätigt und eingestanden[6]. Dafür mussten jedoch 60
Jahre vergehen, bis im Jahr 2013 die Geheimhaltungseinstufung weiterer Dokumente
aufgehoben wurde. Man mag gar nicht daran denken, welche wirklichen Gründe es
gibt, dass der hessische Verfassungsschutz – auch ein Geheimdienst – für einen
Bericht im Zusammenhang mit den NSU-Morden eine Sperrfrist von 120 Jahren
angesetzt hat[7].
Auf Basis seiner eigenen Erfahrungen während 12 Jahren bei Colin Powell als
Stabschef zuerst beim Joint Chiefs of Staff (das ist der Generalstab, der
beratend direkt dem Präsidenten zuarbeitet) und dann im Außenministerium
schildert Wilkerson, wie sich die USA zu Komplizen ihres eigenen Niedergangs
machen. Die zentrale Strategie ist die Sicherstellung eines nationalen
Machtgleichgewichts („Balance of Power“) in der jeweiligen Region. Eine Art
“Teile und Herrsche“, keine Nation darf eine Übermacht gegenüber anderen
Nationen in der Region erlangen. Wilkerson hat miterlebt, welche Folgen dieses
Treiben – wiederholte Eingriffe der USA zur Erhaltung des Machtgleichgewichts –
über Jahrzehnte speziell in der Region des mittleren und nahen Osten nach sich
zog. Um aufzuzeigen, wie das vor über 60 Jahren begann, geht er auf die seiner
Ansicht nach näheren Gründe für den Sturz Mossadeghs ein.
Wilkerson:Seit sich Franklin Delano Roosevelt und der Saudische König zu
Gesprächen zusammensetzten, sind wir mitschuldig an den Folgen des Erhalts
dieses Machtgleichgewichts. Wir die USA – und generell wir im Westen – haben uns
auf diesen Handel geeinigt, um Öl zu einem erschwinglichen Preis zu bekommen,
der nicht allzu störend für unsere Wirtschaft ist, ja sogar maßgeblich
verantwortlich ist für das gedeihliche Wachstum. Was haben wir unternommen, um
dieses Machtgleichgewicht zu erhalten? Nun, als erstes haben wir Mossadegh
gestürzt, für die Briten im Wesentlichen. Die Briten hätten es schwer gehabt,
den Marshall-Plan zu akzeptieren und sich aus der Pleite des zweiten Weltkriegs
zu befreien; und man möchte sagen aus der des ersten Weltkriegs – der Sargnagel
des britischen Weltreichs – ebenfalls. Folglich: wenn wir nicht dafür gesorgt
hätten, dass weiterhin billiges Öl aus dem Iran nach London kam….[sic]. Es gibt
Schätzungen von Leuten – Leute mit deutlich mehr Wissen in solchen
Angelegenheiten als ich -, dass 40 Prozent aller harter Währung der britischen
Regierung aus der Anglo-Iranian Oil Company kam. Jetzt wissen Sie, warum sie
(Anm.: Die Briten) nicht darauf verzichten wollten. Harry Truman sagte den
Briten, sie sollten zur Hölle fahren, es werde keine Beteiligung der USA am
Sturz Mossadeghs geben. Dwight Eisenhower kam, etwas erfahrener, etwas
gerissener, etwas zugetaner den Notwendigkeiten des kalten Krieges – er sagte: „Ok,
let’s do it“.
Und wie schon weiter oben erwähnt, haben die USA mit diesen Interventionen, so
sehr sie auch gegen das Völkerrecht verstoßen[8], nicht aufgehört. Dabei werden
wohl die obersten Befehlshaber nicht immer über alles aufgeklärt, was die
Geheimdienste an Operationen starten.
In TheRealNews fragt Paul Jay in einem Interview Wilkerson[9], ob es sein kann,
dass Teile der CIA nach wie vor entgegen den Vorgaben Washingtons islamistische
Kräfte finanzieren und mit Waffen versorgen, um gegen den syrischen Präsidenten
Assad zu kämpfen. Wilkerson antwortet mit einem bemerkenswerten historischen
Schlenker bis zu Reagan: Ich habe davon gehört. Und meine Frage diesbezüglich
war immer und ist es noch, weiß das der Präsident (Anm.: Donald Trump), weiß das
McMaster (Anm.: seinerzeit nationaler Sicherheitsberater), geschieht dies unter
deren Kontrolle? Wie es bei Ronald Reagan war mit den Contras und Sandinistas in
Südamerika in Honduras und Nicaragua. Ronald Reagan wusste nicht alles, was Bill
Casey (Anm.: damals CIA-Direktor) und seine Günstlinge taten, Robert Gates
(Anm.: Stellvertretender CIA-Direktor) eingeschlossen. Es laufen da Dinge
jenseits der Kontrolle des Präsidenten ab, wenn Sie so wollen…. Dies passiert
hin und wieder mit dem CIA. Und wenn dort zusätzlich intern noch bürokratische
Grabenkämpfe ausgetragen werden, wird das ganze noch schlimmer. Ich wäre
überhaupt nicht überrascht, denn ich habe solches früher schon gesehen, in den
historischen Aufzeichnungen, in den Archiven, in Zeugenaussagen. So etwas
existiert.
Man kann also tatsächlich nicht davon ausgehen, dass das Weiße Haus die Abläufe
immer unter Kontrolle hat. Die US-Führung ist außenpolitisch nicht einheitlich.
Gewisse Kräfte können wohl unter Zuhilfenahme von „Instrumenten“ wie dem CIA
Vorgänge in Bewegung setzen, die nicht den Anordnungen des Präsidenten oder
anderer politischer und militärischer Führungskräfte entsprechen. Bzw. handeln
sie sogar eigenmächtig ohne Anweisung in Situationen, die den Statuten nach
eigentlich der Freigabe von ganz oben bedürften. Damit werden Fakten geschaffen,
die die eigentliche Führung kompromittieren können. Ein Präsident beispielsweise
kann solche Vorgehensweisen oft nicht einmal aufdecken, weil er sich, seine
Regierung oder sogar den Staat USA der Lächerlichkeit preisgeben würde.
Auch der Mainstream der Medien lässt seine Rezipienten – die Bürger – im Stich.
Er klärt über diese Vorgänge nicht auf, oft geschieht sogar das Gegenteil,
medial wird ein Schleier der Naivität ausgebreitet. Da wird ein Bild in
schwarz-weiß von Schurken und Guten präsentiert, das hilft am Kern des Übels
immer mit großer Zielsicherheit vorbeizuschießen. Dann kommt einer wie Wilkerson,
der im Inneren des Machtzirkels dabei war, und redet Klartext. Hier wieder aus
dem Vortrag ein Beispiel über den Ukraine-Konflikt:
Wilkerson:…Warum tut Putin das, was er tut? Teilweise weil das die einzige
Möglichkeit ist, wie man an der Macht bleibt und 60% Zustimmungsquoten in Moskau
bekommt. Aber auch, weil wir das Versprechen nicht hielten, das George H. Bush
und Jim Baker dem damaligen Außenminister der Sowjetunion, aus der ja dann
Russland wurde, Edward Schewardnadse und Gorbachov und später Yeltsin gaben. Und
Jim sagte nahezu wörtlich, dass dafür, dass ihr (Anm.: die Sowjetunion) kein
Geheule über den größten diplomatischen Triumph des späten zwanzigsten
Jahrhunderts – die Wiedervereinigung Deutschlands – anstimmt, wir mit der NATO
keinen Zoll weiter nach Osten rücken würden; das sind Jim Bakers Worte.
Was tat
Bill Clinton? Er ging keinen Schritt weiter nach Osten. Nein. Bei ihm waren es
ganze Länder. Er – und Obama hielt das aufrecht – beabsichtigte sogar Georgien
und Ukraine (Anm.: …in die NATO aufzunehmen). Wir stifteten sogar die Revolution
in Kiew an. Was sollte Putin tun? Ein Drittel der sowjetischen (Anm.: Er müsste
hier wohl „russischen“ sagen) schweren Waffen kommen aus der Ukraine. Die
wichtigste Marine-Basis, nein Basen, Sewastopol und Odessa sind dort. Odessa
könnte als nächstes dran sein, es ist militärisch sogar wichtiger als die Krim.
Was sollte er angesichts einer solchen Stichelei, einer solchen Kampfansage tun?
Jetzt wird ein Schuh draus. Schon die kleine Zwischenbemerkung über die schweren
Waffen, macht einem klar, dass mit diesem Schritt Richtung Osten ein sehr heißes
Eisen angefasst wurde. Die Strategen in den Planungszirkeln waren sich darüber
bewusst, dass ein Russland, das sich wehren will und kann, so reagieren könnte.
Vielleicht war ein Nebenaspekt der Operationen in der Ukraine eben gerade auch
der Versuch, auszuloten, wie viel Widerstand zu leisten, Russland inzwischen in
der Lage ist.
Und insgeheim wusste man das ja, die Bürger sind ja nicht blöd. Aber dann kommen
die Qualitätsmedien mit ihrem endlosen Infantilisierungsgedudel, stutzen den
öffentlichen Erzählrahmen des Vorgangs auf ein Minimalmaß zurecht, dass man kaum
noch an etwas anderes denken kann als an die Bürger der Ukraine und ihrem
angeblich sehnlichen Wunsch nach Demokratie, EU und NATO. Warum der Maidan
aussah wie ein Schlachtfeld und die Staatsmacht trotzdem nicht vehement
einschritt, so wie man das in den USA während der Occupy Platz-Besetzungen, die
deutlich friedlicher abliefen, ja durchaus gemacht hatte?
Sei’s drum. Das
Narrativ muss simpel bleiben, Geopolitik, Machtinteressen etc. gibt es nicht.
Alles findet im luftleeren Raum statt und wenn, gibt es Interessen nur bei den
anderen. Die bösen Russen, der böse Putin in Person hat sich die Krim
einverleibt. Immerhin ging das ohne Blutvergießen vonstatten, was man von den
Interventionen der USA der letzten Jahrzehnte nicht gerade behaupten kann. Man
kann auch nicht sagen, dass heute seitens der Krim-Bevölkerung großes,
aufständisches Potenzial zu verspüren wäre. Dieser friedliche “Nationalitäten-Swap“,
könnte man meinen, ist doch auch was wert.
Durch Menschen wie Wilkerson wird man immer wieder aus dieser manipulativen
Medien-Soße herausgezogen und er zeigt einem, welche anderen Ebenen hinter
dieser Verschleierung noch existieren. Leider lassen uns hierbei unsere
etablierten Medien komplett im Stich, sonst würde dort Personen wie Wilkerson
mehr Platz eingeräumt.
In den Nachdenkseiten empfahl Oskar Lafontaine in einem Beitrag[10] ein
Video
(mit Übersetzung ins Deutsche), in dem Abby Martin Lawrence Wilkerson
interviewte. Wie es der Zufall wollte, sah ich mir das an. Erstaunt über die
dort von Wilkerson verlautbarten Äußerungen, fing ich an, etwas mehr über diesen
Mann zu recherchieren. Daraus entstand dann dieser Text. Diejenigen, die keine
Probleme mit Beiträgen in englischer Sprache haben, können in den Fußnoten über
die Links eine Unmenge an zusätzlichen Informationen aus dem Munde Wilkersons
erhalten.
Florian Linse ist Unternehmer und widmet sich seit Jahren verstärkt der
Untersuchung von Machtsystemen in menschlichen Gesellschaften.
[«2] Wilkerson beschreibt die entscheidenden Vorkommnisse, die letztendlich zu
seinem Entschluss führten, den Dienst zu quittieren, im Interview mit
Harry
Kreisler Juni 2008 University of California Television (UCTV) ca. ab Minute
38:15.
Hier geht er auch darauf ein, wie katastrophal die Nachkriegsplanung im Irak
2003 war. Eine Tatsache, der viel zu wenig Aufmerksamkeit geschenkt wird, wenn
man bedenkt, in welch eklatantem Ausmaß die vermeintliche
Hilfs-/Okkupationsmacht USA ihrer Verantwortung nicht nachkam, im Irak die
zivile Ordnung nach der Besetzung aufrecht zu erhalten. Die ganze Region und
darüber hinaus leidet noch heute unter den Folgen.
[«5] Interessant wie der „Spiegel“ damals darüber schrieb. Auch nicht besser als
heute.
Selbst Wikipedia macht keinen Hehl daraus, dass Jacobo Árbenz Guzmán mit Hilfe
der USA aus dem Amt geputscht wurde.
[«8]
Wie Amal Saad schreibt, “kommt es beim Völkerrecht nicht auf die
vermittelte staatliche Legitimität und Regierungsform an. Sowohl Demokratien als
auch autoritäre Regime haben das Recht, Aufstände zu bekämpfen und sich
gegenüber externen Mächten zu verteidigen, welche die Aufständischen
unterstützen. In jedem Fall unterliegt das allein der Rechtsprechung des
betreffenden Staates. Ausländischen Mächten ist es verboten, Aufständische zu
unterstützen. Die Resolution der Generalversammlung der Vereinten Nationen,
A/RES/2131 (XX), erklärt hierzu, dass “kein Staat subversive, terroristische
oder bewaffnete Handlungen organisieren, unterstützen, schüren, finanzieren,
dazu anstiften oder tolerieren darf, die beabsichtigen, den gewaltsamen Sturz
eines anderen Staates herbeizuführen, oder in den Bürgerkrieg eines anderen
Staates eingreifen darf“.
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