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22.10.2017  00:00
Soll man wirklich die US-Politik
gegen den Iran ernst nehmen?

Das State Department und Präsident Trump haben Verwünschungen gegen die Hisbollah und den Iran laut werden lassen, die einen Bruch des 5 + 1 Abkommens befürchten lassen. Aber für Thierry Meyssan ist es viel wahrscheinlicher, selbst wenn das Schlimmste möglich ist, dass Washington wieder einmal einen falschen Streit in Szene setzt, um seine israelischen und saudischen Verbündeten besser manipulieren. [Quelle: voltairenet.org] JWD

 Von Thierry Meyssan  |  Voltaire Netzwerk | Damaskus (Syrien) | 17. Oktober 2017


Screenshot  |  Quelle: twitter.com/realDonaldTrump  (18.10.2017)

Der Rede des US-amerikanischen Präsidenten über den Iran war eine Pressekonferenz im Außenministerium vorausgegangen, bei der die Hisbollah beschuldigt wurde, Terrorismus im Auftrag von Teheran in der ganzen Welt zu verbreiten [1]. Um dem Wort sofort Taten folgen zu lassen wurde eine Belohnung für die Festnahme von zwei Hisbollah-Kommandeuren ausgestellt. Aber – welche Überraschung! - kein Wort über ihre Siege gegen die Dschihadisten, oder über die $ 800 Millionen, die der Führer Ali Khamenei dem libanesischen Widerstand gerade zugestanden hat [2].

Dann ergriff Präsident Trump das Wort und unterließ es nicht, das Vermächtnis von Imam Ruhollah Khomeini, der Revolutionsgarden und des Führers so scharf wie möglich zu beleidigen [3].

Er übernahm alle möglichen alten Vorwürfen, von denen sie schon seit langer Zeit rein gewaschen waren und hat damit den Grundstein gelegt, um sie besser des Wiederauflebens von Al-Qaida beschuldigen zu können.

Schon vor Ende seiner Rede war der Ölpreis um 85 Cent pro Barrel gestiegen, da der Börsenmarkt auf einen Stopp der iranischen Öl-Investitionen spekulierte. In den darauf folgenden Stunden bedauerten die westlichen Staaten und Russland die Aggressivität von Donald Trump, während Israel und Saudi Arabien ihm Beifall zollten.

Die einzigen angekündigten Beschlüsse von Präsident Trump und dem State Department sind jedoch die oben genannten Belohnungen und das Einhalten der Zertifizierung des 5 + 1 Abkommens vor dem Kongress [4] ; dieser letzte Beschluss betrifft nicht die internationalen Beziehungen, sondern ist ausschließlich Sache der US-Innenpolitik. Das Abkommen vom 14. Juli 2015 wurde durch den Sicherheitsrat der Vereinten Nationen angenommen und kann nur durch ihn rückgängig gemacht werden. Natürlich wissen alle Diplomaten, dass hinter dieser multilateralen Vereinbarung die Vereinigten Staaten und der Iran ein geheimes bilaterales Protokoll über ihre jeweilige Rolle im Erweiterten Nahen Osten abgemacht haben. Zum Zeitpunkt meines Schreibens ist niemand in der Lage zu sagen, ob Präsident Trump dieses Protokoll in Frage gestellt hat oder nicht. Daher sind alle Reaktionen auf die Ankündigungen des State Department und auf Trumps Rede vom 13. Oktober reines Theater.

Die herrschenden Klassen der Vereinigten Staaten und des Iran hatten immer schon besondere Beziehungen zueinander. Bereits während der Revolution von 1979 war die Carter-Verwaltung so tief gespalten, dass der Staatssekretär Cyrus Vance und der Sicherheitsberater Zbigniew Brzezinski einander bekämpften und drohten zurückzutreten, falls der Präsident sie nicht berücksichtigen sollte. Es war letztlich Brzezinski der sich durchsetzte, nicht ohne zuvor die Verhaftung der Spione der Botschaft in Teheran in eine „Geiselnahme" umgedeutet und sich mit ihrem Befreiungsversuch lächerlich gemacht zu haben [5]. Seit diesem Vorfall ist das Verhältnis zwischen Washington und Teheran eine lange Folge von Medien-Lügen, die keinen Bezug zur Realität haben.

Aus iranischer Sicht sind das Vereinigte Königreich und die Vereinigten Staaten Raubtiere und Lügner, die ihr Land kolonisiert und ausgebeutet haben. Sie zermalmen weiterhin auch andere Staaten, die sich noch nicht aufgelehnt haben. Daher bezeichnen die Iraner sie häufig unter dem Spitznamen "Kleiner Satan" und "Großer Satan". Laut Ayatollah Ali Khamenei muss jeder Mensch, der diesen Namen verdient, ihre perversen Handlungen bekämpfen. Auf der anderen Seite ist bei den Angelsachsen nicht alles schlecht, und es gibt keinen Grund, mit ihnen nicht Geschäfte zu machen.

Während der Präsidentschaft von Bush Jr. hat Vizepräsident Dick Cheney mit London und Tel Aviv weiterhin Komplotte geschmiedet, um Teheran anzugreifen. Er schuf mit Hilfe seiner Tochter Liz Cheney und eines Veteranen verdeckter Operationen, Elliott Abrams, die streng geheime Gruppe für Politik und Operationen in Iran und Syrien («Iran Syria Policy and Operations Group»). Er erwog nacheinander Atombombenangriffe auf dieses Land und die Unterstützung eines israelischen Luftangriffs von den in Georgien gemieteten Flughäfen. Es passierte jedoch genau das Gegenteil davon: der iranische Präsident Mahmoud Ahmadinedschad und der Leiter des US-Generalstabes, Admiral Mike Mullen, trafen sich heimlich am 2. März 2008 in Bagdad. Durch den Sturz der afghanischen Taliban und des irakischen Präsidenten Saddam Hussein beseitigten die Vereinigten Staaten stattdessen die Feinde selbst und begünstigten damit den regionalen Einfluss von Iran.

Während der Obama-Verwaltung versuchte das Weiße Haus Präsident Mahmoud Ahmadinedschad durch die Organisation der farbigen Revolution des Jahres 2009 zu stürzen. Aufgrund der Schlussfolgerungen des Misserfolges nahm das Weiße Haus Kontakt mit den um den ehemaligen Präsidenten Haschemi Rafsandschani versammelten Gegnern auf. Im Zeitraum 1983-86 wurde stattdessen die Operation Iran-Contras vom Nationalen Sicherheitsrat der USA organisiert. Zu dieser Zeit stützten sich Oberst Oliver North und der ewige Elliott Abrams auf einen Abgeordneten, Scheich Hassan Rohani, der sie bei Hodschatoleslam Rafsandschani einführte. So waren es diese, mit denen die Obama-Administration in Oman, im März 2013, diskutierte. Und dank eines Tricks durfte der Kandidat Ahmadinedschad bei den Präsidentschaftswahlen nicht antreten, die Scheich Rohani fünf Monate später gewann. Sofort nach seiner Machtübernahme begann Letzterer offiziell die 5 + 1 Verhandlungen, die er während der Verhandlungen in Oman konzipiert hatte.

Donald Trump hat während seines Wahlkampfes nicht innegehalten, eine heftige anti-iranische Haltung einzunehmen. Es war auch die Position seines ersten Sicherheitsberaters, General Michaël Flynn. Seit seiner Ankunft im Weißen Haus im letzten Januar hat der Präsident, einen nach dem anderen, alle seine anti-iranischen Berater (mit Ausnahme von Mike Pompeo, dem derzeitigen Direktor der CIA) entfernt. Im Gegenteil, seine drei Senior Berater sind pro-iranisch (sein Stabschef, General John Kelly, sein Verteidigungsminister General James Mattis und sein Staatssekretär Rex Tillerson).

Es ist im Übrigen interessant zu beobachten, dass bei der Ernennung des Staatssekretärs die Pro-Obama-Presse wiederum mit Gewissheit den Posten für Elliott Abrams angekündigt hatte. Der Präsident empfing ihn lange, befragte ihn über seine Beziehungen zu Scheich Rohani, und führte ihn dann zurück zur Tür und ernannte Tillerson.

Es ist durchaus möglich, dass Präsident Trump aus einer Laune heraus die Iran-US-Vereinbarung zerstören könnte und – viel schlimmer - die Revolutionsgarden angreifen wird, aber es ist viel wahrscheinlicher, dass er noch einmal eine Komödie spielen würde, um seine israelischen und saudi-arabischen Verbündeten zu beschwichtigen. Wir müssen berücksichtigen, dass Donald Trump kein Berufspolitiker, sondern ein Immobilien-Entwickler ist, und er als solcher auch handelt. Er hatte beruflichen Erfolg, indem er durch gezielte Provokationen Verwirrungen stiftete, um die anschließenden Reaktionen, die sie unter seinen Konkurrenten und Partnern hervorrief, zu beobachten. Um zwischen diesen beiden Hypothesen zu wählen, müssen wir auf die Sanktionen gegen die Revolutionsgarden warten. Dann werden wir sehen, ob sie ernst gemeint sind oder ausschließlich der Arbeitsweise von Donald Trump entsprechen und die traditionelle Maskerade der Vereinigten Staaten gegenüber dem Iran darstellen.

Autor: Thierry Meyssan | Übersetzung: Horst Frohlich | Korrekturlesen : Werner Leuthäusser

Thierry Meyssan: Politischer Berater, Präsident und Gründer des Réseau Voltaire und der Konferenz Axis for Peace. Er veröffentlicht Analysen über ausländische Politik in der arabischen, latein-amerikanischen und russischen Presse. Letztes, auf Französisch veröffentlichte Werk: Sous nos yeux - Du 11-Septembre à Donald Trump.

Dieser Beitrag ist unter Lizenz der Creative Commons (CC BY-NC-ND

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