|
<< zurück | Home |
JWD-Nachrichten |
Teilen
|
26.04.2017 00:00
Die Franzosen versenken sich selbst
Wir erleben eine historische Wende in Frankreich, in der das ehemalige
politische Spektrum auseinander fliegt und wo eine neue Kluft auftaucht.
Angesichts der intensiven Medien-Propaganda, die das Land heimsucht, erkennen
die Franzosen die wahren Richtlinien nicht mehr und klammern sich an rote
Linien, die nicht mehr existieren. Dennoch sind die Fakten klar und manche
Entwicklungen absehbar. [Quelle:
voltairenet.org] JWD
Von Thierry Meyssan | Voltaire
Netzwerk | Bejrút (Libanon) | 25. April 2017

Quelle: voltairenet.org (verlinkt)
Eine private Party in La
Rotonde: begrüßt wie der neue französische Präsident, empfängt
Emmanuel Macron Persönlichkeiten von dem CAC40 [franz.
Börsenindex] und vom Showbusiness am Abend der ersten Wahlrunde.
Hier im Gespräch mit seinem Freund, dem Bankier Jacques Attali. |
Nach einem hektischen Wahlkampf qualifizierten die Franzosen Emmanuel Macron
und Marine Le Pen für die zweite Runde der Präsidentschaftswahl.
Fast alle geschlagenen Kandidaten, mit Ausnahme von Jean-Luc Mélenchon - und das
ist kein Zufall - haben schon aufgerufen für Macron zu stimmen, der also leicht
die Stichwahl gewinnen dürfte.
Die beiden großen historischen Parteien, die Frankreich seit Anfang der fünften
Republik regiert haben, die Republikaner (Ex-Gaullisten) und die sozialistische
Partei (Ehemalige Jaurès Anhänger) haben verloren. Stattdessen kommt ein Neuling
von En Marche! auf den ersten Platz und steht dem FN [der Nationalen Front]
gegenüber.
Gibt es einen Faschismus-Kandidaten?
In der französischen Geschichte ist es nicht das erste Mal, dass so eine Kluft
entsteht: auf der einen Seite, ein Unterstützer des Bündnisses mit dem, was die
größte Macht des Augenblicks zu sein scheint (die Vereinigten Staaten), auf der
anderen, eine Partei auf der Suche nach nationaler Unabhängigkeit; auf der einen
Seite, die ganze herrschende Klasse, praktisch ohne Ausnahme, auf der anderen,
eine aus von überall zusammengelaufenen Leuten bestehende Partei, überwiegend
Proletarier, deren zwei Drittel von rechts kommen und ein Drittel von links.
Natürlich wird der künftige französische Präsident Herr Macron sein; ein Mann
der Rothschild & Co Bank, der jetzt schon von allen Unternehmern des CAC40
unterstützt wird.
Nun, ob es unseren Vorurteilen entspricht oder nicht, ist die Einstimmigkeit der
Geld-Mächte aber das grundlegende Merkmal der faschistischen Parteien.
Diese Einstimmigkeit des Großkapitals ist immer von einer Einheit der Nation
begleitet, die die Unterschiede verwischt. Um gleich zu sein, muss man identisch
werden. Das ist genau, was Präsident Hollande in den Jahren 2012/13 mit dem
Gesetz zur « Mariage pour tous », ["Ehe für alle"] begonnen hat. Als
Gleichberechtigung der Bürger dargestellt, unabhängig von ihrer sexuellen
Orientierung, sagt es in der Tat, dass die Bedürfnisse von Familien mit Kindern
identisch wären mit denen der homosexuellen Paare. Es gab jedoch andere,
intelligentere Lösungen. Der Widerstand gegen dieses Gesetz führte zu riesigen
Demos, die leider keinen anderen Vorschlag brachten und manchmal
schwulenfeindliche Sprüchen aufkommen ließen.
Genau so wurde das Attentat gegen Charlie Hebdo mit "Ich bin Charlie!"-Rufen
gefeiert, und Bürger, die sich "nicht Charlie" fühlten, wurden verfolgt.
Es ist traurig, dass die Franzosen weder gegen die Einstimmigkeit des großen
Kapitals reagieren, noch gegen die Anordnungen auf die gleichen juridischen
Geräte zurückzugreifen und die gleichen Parolen nachzuplappern. Stattdessen
verharren sie in der Überzeugung, die Nationale Front [FN] als eine
"faschistische" Strömung zu betrachten, ohne jegliches andere Argument als ihre
ferne Vergangenheit.
Kann man dem Kandidat des Faschismus standhalten?
Die meisten Franzosen denken, dass Emmanuel Macron ein Präsident wie Sarkozy und
Hollande sein wird, ein Mann, der ihre Politik fortsetzen wird. Sie erwarten
daher, dass ihr Land noch und noch absinken wird. Sie akzeptieren diesen Fluch
im Glauben, dass sie so die Gefahr des Rechtsextremismus vermeiden.
Viele erinnern sich, dass die Verlierer des zweiten Weltkriegs und der
sozialistischen Politik der Kolonisierung Algeriens, in der Nationalen Front zu
ihrer Gründungszeit Unterschlupf fanden. Sie heben Figuren von einigen
Kollaborateuren mit den Nazi-Besatzern hervor, ohne zu bemerken, dass der Front
National von heute absolut nichts mit diesen Leuten gemein hat. Sie machen
weiterhin Leutnant Jean-Marie Le Pen (Vater von Marine Le Pen) für das
algerische Drama verantwortlich und entschuldigen die Verantwortung der
damaligen sozialistischen Führer, vor allem jene des schrecklichen
Innenministers François Mitterrand.
Niemand erinnert sich, dass 1940 ein faschistischer Minister, General Charles De
Gaulle, den „Waffenstillstand der Schande“ mit Nazi-Deutschland verweigerte.
Dieser Mann, offizieller Nachfolger von Marschall Philippe Pétain (der der Pate
von seiner Tochter war), begann den Widerstand allein. Gegen seine Ausbildung
und seine Vorurteile kämpfend versammelte er langsam, gegen seinen ehemaligen
Mentor, aus allen Bereichen kommende Franzosen um sich, um die Republik zu
verteidigen. Er umgibt sich mit einer linken Persönlichkeit: Jean Moulin, der
wenige Jahre zuvor heimlich Geld aus dem Marine-Ministerium abgezweigt und
Waffen verkauft hatte, um die spanischen Republikaner gegen die Faschisten zu
unterstützen.
Niemand erinnert sich, dass ein Kollege von De Gaulle, Robert Schuman, seine
Unterschrift auf den „Waffenstillstand der Schande“ setzte, und dann, ein paar
Jahre später, die Europäische Wirtschaftsgemeinschaft (heute Europäische Union)
gründete; eine supranationale Organisation, die auf dem Nazi-Modell von der
"neuen europäischen Ordnung" beruht, gegen die Sowjetunion und heute gegen
Russland.
Das Obama-Clinton Modell
Emmanuel Macron hat die Unterstützung des ehemaligen US-Präsidenten Barack Obama
bekommen. Er hat ein Außenpolitik-Team aufgestellt, das aus führenden
neokonservativen Diplomaten besteht und macht keinen Hehl aus seiner
Unterstützung der Außenpolitik der US-Demokraten.
Wenn Barack Obama auch seine Außenpolitik mit einer Rhetorik vorgestellt hat,
die der von seinem Vorgänger, dem Republikaner George W. Bush, diametral
entgegengesetzt war, ist er in der Praxis aber in allen Punkten in seine
Fußstapfen getreten. Die beiden Männer haben nacheinander den gleichen
Vernichtungsplan der Gesellschaften des Erweiterten Nahen Osten geführt, der
schon mehr als 3 Millionen Menschen das Leben gekostet hat. Emmanuel Macron
unterstützt diese Politik, obwohl man noch nicht weiß, ob er sie mit der
"Demokratisierung" oder mit der "spontanen Revolution" rechtfertigen wird.
Hillary Clinton hat die US-Wahlen verloren, Emmanuel Macron dürfte in Frankreich
gewinnen.
Nichts beweist, dass Marine Le Pen fähig sein wird, die Rolle von Charles De
Gaulle zu spielen, aber drei Dinge sind sicher:
Ebenso wie die Briten im Jahre 1940 ihren Ekel unterdrückten, als sie De Gaulle
in London aufnahmen, so werden die Russen heute Le Pen unterstützen.
Ebenso wie im Jahr 1939, als nur wenige Kommunisten den Anweisungen ihrer Partei
trotzten um den Widerstand aufzunehmen, sind heute nur wenige Anhänger von
Jean-Luc Mélenchon bereit, diesen Schritt zu wagen. Aber nach dem Nazi-Angriff
auf die Sowjetunion, unterstützte dann die ganze kommunistische Partei De Gaulle
und bildete die Mehrheit des Widerstandes. Es besteht kein Zweifel, dass in den
nächsten Jahren Mélenchon an Seiten von Le Pen kämpfen wird.
Emmanuel Macron wird nie die Leute verstehen, die sich gegen die Herrscher ihrer
Heimat auflehnen. Er wird also auch nicht die Völker des "Erweiterten Nahen
Ostens" verstehen, die mit der Hisbollah, der islamischen Republik Iran und der
Arabischen Republik Syrien für ihre wirkliche Unabhängigkeit kämpfen.
Autor: Thierry Meyssan | Übersetzung: Horst
Frohlich | Quelle:
Voltaire Netzwerk
Thierry Meyssan: Politischer Berater, Präsident und Gründer des Réseau
Voltaire und der Konferenz Axis for Peace. Er veröffentlicht Analysen über
ausländische Politik in der arabischen, latein-amerikanischen und russischen
Presse. Letztes, auf Französisch veröffentlichte Werk: Sous nos yeux - Du 11-Septembre à
Donald Trump..
Dieser Beitrag ist unter Lizenz der Creative Commons
(CC BY-NC-ND)
Link zum Originaltext bei ' voltairenet.org ' ..hier

Macron, Emmanuel
Quelle: voltairenet.org (verlinkt)
Der Wirtschaftswissenschaftler und ehemalige Chef-Volkswirt (Chief of
Macroeconomics and Development) bei der UNO-Organisation für Welthandel und
Entwicklung (UNCTAD) in Genf, der selbst in Frankreich lebt, nimmt zu der
aktuellen Entwicklung wie folgt Stellung:

Quelle: makroskop.eu (verlinkt) |
Pietro Piupparco via flickr/com CC BY-SA 2.0
24.04.2017 [Quelle: makroskop.eu / Heiner Flassbeck]
Frankreich:
Das mittlere Maß der Unvernunft
Die Wahl in Frankreich passt in das Muster der Verzweiflungswahlen, die
inzwischen zum europäischen Normalfall geworden sind. Vieles spricht dafür, dass
das Land noch einmal fünf lange Jahre warten muss, bevor sich wirklich etwas
ändert.
Frankreich hat gewählt, aber es hat sich nicht entschieden. Dieser Satz wird
auch noch in zwei Wochen Gültigkeit haben, wenn der junge Mann, der gestern mit
einem im historischen Vergleich sehr schwachen Ergebnis die erste Wahlrunde
gewonnen hat, zum Präsidenten gewählt sein wird. Frankreich hat sich weder dafür
entscheiden können, es mit den bisher die Republik regierenden Parteien noch
einmal zu versuchen, noch dafür, radikal anders regiert zu werden. Das Ergebnis
wird, paradoxerweise und wenn nicht alle Zeichen trügen, die Fortsetzung der
bisherigen Politik unter einem neuen Namensschild sein.
Gleichwohl bringt das Ergebnis, nicht anders als in den Niederlanden Mitte März,
eine revolutionäre Verschiebung der politischen Macht mit sich. Die
„Sozialdemokraten“, deren Partei in Frankreich immer noch Parti Socialiste
heißt, sind in unglaublicher Weise dafür abgestraft worden, dass ihr Präsident
sich angesichts großer wirtschaftlicher Herausforderungen plötzlich zum
Sozialdemokraten erklärte und hinter Schröder und Blair versteckte (..hier). Mit
einem einstelligen Ergebnis ist ihr Kandidat Hamon in die Wüste geschickt worden
und mit ihm vielleicht die gesamte Partei. Zugute gekommen ist das der
„aufmüpfigen“ Bewegung des Jean-Luc Mélanchon, der mit fast zwanzig Prozent ein
„impeccables“ Ergebnis erzielte, nur wenige Prozentpunkte hinter dem Sieger.
Da auch die „Republikaner“ von Francois Fillon, obgleich aus der Opposition zu
einer total versagenden Regierung antretend, die zwanzig-Prozent-Hürde nur
marginal überschreiten konnten, ist zu konstatieren, dass gestern sechzig
Prozent der französischen Wähler den beiden Parteien, die quasi im Alleingang
die vergangenen fünfzig Jahre regiert haben, einen formidablen Tritt in den
Allerwertesten gegeben haben.
Damit bestätigt sich ein Schema, das man schon quer durch Europa sehen konnte.
Man wählt links, dann rechts, vielleicht noch einmal links, aber wenn sich dann
nichts ändert, wählt man radikal anders. Nur mit der tiefen Enttäuschung durch
die bisherige Politik ist zu erklären, dass sich tatsächlich fast ein Viertel
der Wähler gestern für eine neue „Bewegung“ unter Führung eines politischen
Neulings entschieden hat, von der man, außer dass sie in Bewegung ist, nicht
viel weiß. Mehr als ein Fünftel der Wähler auf der Rechten und ein weiteres
Fünftel auf der Linken war immerhin bereit, das unerhörte Experiment eines
Rückzuges aus der Globalisierung und aus Europa zu unterstützen.
Nun also kommt die Mitte. Emanuel Macron sagt von sich selbst, er sei die Mitte,
er sei weder rechts noch links. Ob es diese ominöse Mitte wirklich gibt, ist
eine offene Frage. Es gibt aber ohne Zweifel wichtige Positionen, die weder auf
der Rechten noch auf der Linken ernsthaft diskutiert und verteidigt werden. Es
sind Positionen, die von der Vernunft vorgegeben werden, selbst wenn sie weder
in ein linkes noch in ein rechtes Schema passen. Viele der politischen
Positionen, die sich aus klar erkennbaren oder sogar zwingenden
gesamtwirtschaftlichen Zusammenhängen ableiten, finden in den traditionellen
Parteiprogrammen kein Zuhause, weil sie nicht mit der Alltagserfahrung der Masse
der Mitglieder vereinbar sind. Die nationale, europäische und globale
Schuldenproblematik gehört zu dieser Klasse von Positionen, aber auch die
Beurteilung des Freihandels oder das gesamtwirtschaftliche Verständnis von einem
funktionierenden Arbeitsmarkt.
Macron hat in dieser Hinsicht immerhin mehr als nichts zu bieten. Er hat sich in
den letzten Tagen vor der Wahl noch einmal sehr kritisch zu den deutschen
Leistungsbilanzüberschüssen geäußert und er hat schon vorher (..hier) wie auch als
Wirtschaftsminister (..hier) mehr Investitionen in Europa angemahnt, und er hat
dabei die von Deutschland erzwungene Austeritätspolitik heftig kritisiert. Ich
weiß von einem früheren engen Berater Macrons, dass Macron allerdings bei
Präsident Hollande regelmäßig auf taube Ohren stieß, wenn er versuchte, höchste
politische Unterstützung dafür zu gewinnen, die deutsch-französische Frage in
kritischer Weise in die Öffentlichkeit zu tragen.
Ob das reicht, um eine wirkliche Wende in der französischen Politik und
insbesondere in der Wirtschaftspolitik zu erhoffen (siehe dazu meine
ausführliche Analyse
..hier und ..hier),
darf man bezweifeln. [...]
Weiterlesen im Originaltext bei ' makroskop.eu ' ..hier
Passend zum Thema:
25.04.2017 10:30
Wer regiert die Welt? Wer steckt hinter Macron? Wer hat ihn in kurzer Zeit aufgebaut?
Wer betrieb die Ausdehnung der Nato bis an die Grenze Russlands? Wer hat die
neoliberale Ideologie durchgedrückt? Wer hat erfunden und festgezurrt, für die
Durchsetzung der neoliberalen Ideologie den schönen Begriff „Reformen“ zu
missbrauchen? Wer hat diese Sprachregelung geplant? Wer hat dafür gesorgt, dass
in Europa keine fortschrittlichen Parteien mehr regieren? Wer hat die ehedem
fortschrittlichen Parteien von innen heraus so verändert, dass man sie nicht
mehr wiedererkennt? Wer betreibt den Regime Change in allen Ländern, deren
Regierung dem Westen nicht passt?... [Quelle: nds.de / von Albrecht
Müller] JWD ..weiterlesen
24.04.2017 00:45
Ohne Moos nix los - Demokratie bedingt Geldschöpfung durch öffentliche Hand
Solange die Geldschöpfung in privaten Händen bleibt, kann es keine echte
Demokratie geben, bei der "alle Staatsgewalt vom Volk ausgeht". In seinem 2016
erschienenem Buch -
Wer regiert das Geld? - weist Paul Schreyer gerade diesen
Zusammenhang nach. Wegen der Wichtigkeit des Sachverhalts, der Aktualität und
der sich zuspitzenden der Problematik, hier noch
einmal das aufschlussreiche Interview von Jens Wernicke mit dem Autor Paul
Schreyer. JWD ..weiterlesen
<< zurück
| Home |
|
Tags:
Voltaire Netzwerk, Thierry Meyssan,
Donald Trump, Frankreich, Demokratie, Paris, Tiefer Staat,
Neoliberalismus, Sozialabbau, Emmanuel Macron, Reformen |
|
|
|
|