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24.03.2017 01:00
Die Weisheit der (Mehrheit der)
Weisen ist offenkundig Dummheit
In dem neuesten Bericht unserer Wirtschaftsweisen wird
versucht, die Problematisierung der hohen Exportüberschüsse Deutschlands als ein
populistisches Hirngespinst darzustellen. Was uns da von der Mehrheit der Weisen
als Ergebnis wissenschaftlicher Analyse verkauft wird, ist Ideologie vom
Feinsten. [makroskop.eu] JWD
Kommentar von Paul Steinhardt und Heiner
Flassbeck | Quelle: Makroskop | 23.03.2017

Quelle: makroskop.eu (verlinkt)
Dieser Präsident mit dem komischen Haarschnitt, der zudem, wie man aus der
Welt erfährt, das Weiße Haus postsowjetisch umgestalten ließ, und seine
wirtschaftspolitischen Berater sind, da sind sich unsere Politiker und alle
Leitmedien einig, eine Zumutung und zwar in jeder Hinsicht.
Wie kann man z.B. ernsthaft die „Globalisierung“ als ein Problem und dann auch
noch die Ursachen und deren Beseitigung als eine Sache der Politik ansehen?
Wissenschaftlich ist doch längst erwiesen, dass „der Freihandel“ eine äußerst
gute Sache ist und zwar gut für einfach alle. Und nun wird dieser
zivilisatorische Fortschritt von den sogenannten Repräsentanten der USA infrage
gestellt. Unglaublich!
Einer seiner Berater, ein gewisser Peter Navarro – immerhin ein Professor, der
aber natürlich noch nie, wie wir ebenfalls von der „Welt“ erfahren, in einer
renommierten Fachzeitschrift einen Artikel publiziert hat (hier)
–, dagegen ist der Meinung, dass der internationale Handel gewissen Regeln
genügen muss, damit er zum Vorteil aller daran Beteiligten gereicht:
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«That means free trade must also be fair trade so that neither country can
protect its markets from the other or engage in mercantilist practices such as
currency manipulation or the use of export subsidies to promote its exports at
the expense of the other.» (Originaltext, S. 32)
«Das bedeutet, dass freier Handel auch fairer Handel sein muss, so dass keines
der (involvierten) Länder seinen Markt vor dem anderen schützen kann oder
merkantilistische Praktiken wie Währungsmanipulationen einsetzt oder sich
Exportsubventionen bedient, um seine Exporte auf Kosten des Anderen zu fördern.»
(Übersetzung der Autoren) |
Diese „kruden Ideen“ (so fasst die Welt Navarros Denken knapp zusammen), hat er
zusammen mit dem Wirtschaftsprofessor Glenn Hubbard, der wirtschaftspolitischer
Berater unter George W. Bush war, schon in einem 2010 erschienenen Buch
formuliert, in dem der freie Markt mit Bezug auf Adam Smith als der beste
Mechanismus zur Produktion von Wohlstand für alle gefeiert wird. Die
Marktradikalen aller Länder sollten also allen Grund haben, sich über die kruden
Ideen des Peter Navarro zu freuen. Das Problem ist nur, dass es in dieser
normativen Theorie und daher in einer Welt, die den darin formulierten
Bedingungen genügt, keine Exportüberschüsse gibt. Exportüberschüsse sind auf
Basis dieser Theorie alleine auf nicht marktkonforme politische Eingriffe
zurückzuführen und zudem als äußerst schädlich zu erachten:
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«Of course, the results of these „beggar thy neighbor“ policies more often were
war and turmoil rather than economic prosperity.» (Originaltext, S. 32)
«Natürlich waren die Resultate dieser
Beggar-thy-Neighbour-Politik öfter Krieg
und Aufruhr als ökonomischer Wohlstand.» (Übersetzung der Autoren) |
Sie erklären dann auch noch, warum Länder, die über einen längeren Zeitraum
Leistungsbilanzüberschüsse anhäufen, ihre Handelspartner schädigen. Sie benutzen
dabei sehr leicht nachvollziehbare saldenmechanische Überlegungen: Das BIP ist
die Summe von Konsum, Investitionen, Staatsausgaben und dem Nettoexport. Ist der
Nettoexport negativ, dann ist das BIP und damit auch das Beschäftigungsvolumen
kleiner als wenn es positiv wäre. Ergo:
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«By the simple arithmetic of the GDP growth equation […] these negative net
exports shave critical growth points off America’s economic growth rate.»
«Nach der simplen Arithmetik der BIP-Wachstumsgleichung […] reduzieren diese
negativen Netto-Exporte entscheidende Wachstumsimpulse für das amerikanische
Wirtschaftswachstum.» (Übersetzung der Autoren) |
Peter Bofinger hat ganz offensichtlich versucht, bei seinen Kollegen im
Sachverständigenrat (SVR) ebenfalls mit elementaren saldenmechanischen
Überlegungen für Verständnis für die amerikanische Kritik an den deutschen
Exportüberschüssen zu werben. Denn im neuesten
Konjunkturbericht schreibt er in
seinem inzwischen üblichen Minderheitsvotum das Folgende:
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«Aus einer globalen Perspektive heraus führt das „Überschusssparen“ in einem
Land mit einem hohen Leistungsbilanzüberschuss zu einem globalen
Nachfragedefizit, das für sich genommen zu einer Kontraktion der Weltwirtschaft
führt. […] So gesehen ist die Kritik am deutschen Leistungsbilanzüberschuss
durchaus berechtigt.» |
Peter Bofinger ist es offensichtlich jedoch nicht gelungen, seine Kollegen zu
überzeugen, wie die folgenden Zeilen belegen:
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«Diese Kritik beruht in mehrfacher Hinsicht auf einer Fehleinschätzung.
Volkswirtschaften sind nicht mit großen Unternehmen gleichzusetzen, die von den
Regierungen gelenkt werden. […] Der hohe Abstraktionsgrad einer aggregierten
makroökonomischen Analyse verstellt den Blick darauf, dass eine Vielzahl von
Akteuren mit ihren freiwilligen Entscheidungen und Handlungen für die Ausprägung
der makroökonomischen Ergebnisgrößen verantwortlich sind.» (S.18) |
Die Salden sind halt, was sie sind, wenn man nicht die Vielzahl von Akteuren in
ihrer Freiheit beschränken will. Und wer will das schon? Vor allem kann die
Politik daran aber rein gar nichts ändern. Wer meint, dass sich aus
saldenmechanischen Zusammenhängen irgendwelche wirtschaftspolitischen
Schlussfolgerungen ziehen ließen, der unterliegt nach Meinung der Mehrheit der
Wirtschaftsweisen einer „saldenmechanischen Steuerungsillusion“.
Allerdings, so gestehen sie zu, bedarf es durchaus einer Erklärung der
Entstehung der entsprechenden Salden. Und eine Erklärung für die
Exportüberschüsse, die aufhorchen lässt, formuliert die Mehrheit der Weisen wie
folgt:
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«Berechnungen des Sachverständigenrates zeigen darüber hinaus, dass die
Verbesserung der preislichen Wettbewerbsfähigkeit seit Jahresmitte 2014 gut 1
Prozentpunkt des Leistungsbilanzüberschusses im Jahr 2016 erklären kann.» |
Diese Aussage ist natürlich eine Steilvorlage für Peter Bofinger. Sie ermöglicht
ihm klarzustellen, dass der Adressat des Vorwurfs der Währungsmanipulation nicht
etwa die EZB, sondern die deutsche Lohnpolitik ist:
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«Zu einem sehr großen Teil kann der ausgeprägte Anstieg des Saldos im
vergangenen Jahrzehnt auf die starke Lohnzurückhaltung insbesondere in den
Jahren 2004 bis 2007 zurückgeführt werden. Sie hat die inländische Nachfrage und
vor allem den privaten Verbrauch erheblich gebremst.» (S. 26) |
Um seine These zu belegen, hat Bofinger die folgende schöne Graphik präsentiert:

Quelle: makroskop.eu (verlinkt)

Für die Mehrheitsweisen aber kein Grund, auch nur mit der Wimper zu zucken, denn
der damit erhobene Vorwurf des Lohndumpings kann gar nicht treffen, weil in
Deutschland die „Lohnsetzung weitgehend unabhängig von der Politik“ stattfindet
(S.19).
Das ist vollkommen lächerlich. Denn was ist mit der Verbesserung der preislichen
Wettbewerbsfähigkeit, die der SVR der deutschen Politik jahrelang empfohlen und
sie dafür gelobt hat? Norbert Häring hat diesen Widerspruch in einem Artikel auf
seinem Blog so sauber recherchiert und kritisiert, so dass wir
hier nur darauf
verweisen können.
Stimmte aber die Aussage der Mehrheitsweisen, dann hätte man Bofinger en passant
auch der Verbreitung von Fake-News überführt. Denn er hatte in seinem
Minderheitsvotum das Folgende vorgetragen:
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«Die Entwicklung der Lohnkosten ist nur bedingt durch die Politik zu steuern,
sie verläuft aber nicht völlig unabhängig davon.... |
[...]
Weiterlesen im Originaltext bei '
makroskop.eu ' ..hier
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Tags:
Wirtschaftsweisen, Exportüberschüsse, Freihandel, Lohndamping.
Saldenmechanik, Konsum, Investitionen, Nachfrage |
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