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10.07.2016 00:00
Italiens Bankenkrise:
Lunte am Pulverfass EU
Während die internationale Öffentlichkeit wie gebannt auf den Brexit und seine
Folgen starrte, haben sich in der vergangenen Woche anlässlich der italienischen
Bankenkrise hinter den Kulissen der EU dramatische Vorgänge abgespielt. Sie
zeigen, dass nationale Regierungen und EU-Bürokratie aus Angst vor der Reaktion
der Bevölkerung davor zurückschrecken, die von ihnen selbst zur
Aufrechterhaltung des Bankensystems eingeführten rechtlichen Regelungen des
Bail-in durchzusetzen. [Quelle: free21.org] JWD
Italienische Zentralbank | (Foto:
Lalupa, CC BY-SA 3.0) | Quelle: free21.org
Diese Kapitulation bedeutet im Grunde nichts anderes, als dass die Endphase
der EU eingeläutet ist. Um die Hintergründe und die Tragweite der Geschehnisse
zu verstehen, hier zunächst ein Blick auf die Situation der italienischen
Banken:
Italienische Banken in tiefer Krise
Die italienischen Banken befinden sich seit Längerem in einer tiefen Krise. Sie
führen nach offiziellen Angaben faule Kredite in Höhe von 360 Mrd. Euro in ihren
Bilanzen. Erst im Dezember griff die Regierung in Rom ein und rettete vier
regionale Banken vor der Insolvenz. Sie griff dazu auf das in der EU eingeführte
Bail-in zurück und erleichterte ca. 150.000 Aktionäre und Anleihegläubiger um
die runde Summe von 750 Mio. Euro.
Die italienische Bevölkerung quittierte die Enteignungs-Maßnahme mit so heftigen
Protesten, dass sich die Regierung in Rom gezwungen sah, nach anderen Wegen zu
suchen, um weitere Bankenpleiten abzuwenden. Im April dieses Jahres drängte sie
mit Unterstützung der Zentralbank mehrere Finanzinstitute, einen Rettungsfonds
mit dem Namen „Atlante“ aufzulegen. Trotz des von staatlicher Seite ausgeübten
Drucks kamen statt der geforderten 5 bis 6 Mrd. Euro nur 4,8 Mrd. zusammen.
Wegen der Skepsis der Investoren scheiterte der Fonds bereits an seiner ersten
Aufgabe, einer Kapitalerhöhung der Banca Popolare di Vicenza.
Da die italienischen Banken seit Jahresbeginn im Schnitt bereits 40 % ihres
Aktienkurses verloren hatten und diese Verluste im Zuge des Brexit-Votums in
Einzelfällen auf bis zu 75 % zunahmen, wandte sich Premier Renzi nach dem
Brexit-Votum der Briten erneut mit einem dringenden Hilferuf an die EU. Mit
Hinweis auf die Gefahr einer Panik unter Investoren und einen Banken-Run
verlangte er 40 Mrd. Euro, um die Finanzinstitute seines Landes mit einer
direkten Kapitalinjektion oder durch gedeckte Regierungsgarantien zu stützen.
Berlin sagt nein – die EU sagt ja
Die deutsche Bundeskanzlerin Merkel und ihr Finanzminister Schäuble reagierten
umgehend mit einer scharfen Ablehnung und forderten Renzi auf, erneut die
geltende Bail-in-Regelung anzuwenden. Ihr kategorisches Nein überraschte nicht,
denn Deutschland muss als größte Volkswirtschaft der EU für einen großen Teil
der 40 Mrd. geradestehen.
Dann aber geschah Unerwartetes: Kaum hatten Merkel und Schäuble abgewinkt, da
verkündete die EU-Kommission nach Rücksprache mit der EZB, man habe Rom bis zum
Jahresende geltende Staatsgarantien von bis zu 150 Mrd. Euro – also fast das
Vierfache der Summe, die Renzi als Direktmaßnahme gefordert hatte – zugesagt.
Wie hoch die unmittelbar zur Verfügung gestellte Summe ist, wurde geheimgehalten.
Die Verkündung der Unterstützungsmaßnahme sorgte für eine – zumindest
vorübergehende – Erholung der Aktienkurse der italienischen Banken. Während die
europäische Politik die Ereignisse fast kommentarlos überging, führten die
meisten Medien sie auf ein taktisches Manöver der Regierung Renzi zurück: Diese
habe die Tumulte um den Brexit und die Angst um das Auseinanderbrechen der EU
benutzt, um sich das zur Rettung der eigenen Banken notwendige Geld zu besorgen.
In Wirklichkeit aber offenbaren die Vorgänge viel mehr. Zum einen zeigen die
bereitgestellten 150 Mrd. Euro, welche Summe offenbar nötig ist, um Investoren
zumindest bis zum Jahresende zu beruhigen. Zum anderen hat Premier Renzi die 40
Mrd. Euro als Direkthilfe nicht etwa verlangt, um das System zu stabilisieren,
sondern um einen Run auf die Banken zu verhindern – ein Anzeichen dafür, dass
nach dem Brexit akuter Handlungsbedarf bestand.
Der Vorgang als Ganzes wirft im übrigen einmal mehr ein deutliches Licht auf die
wahren Machtverhältnisse in Europa: Wenn es um die Erhaltung des Finanzsystems
geht, haben einzig und allein die Europäische Zentralbank und die EU-Kommission
das Sagen. Das heißt: Das Schicksal des Kontinents liegt dann nicht in der Hand
gewählter Politiker, sondern in der Hand nicht gewählter, sondern von
politischen Gremien in Absprache mit der Finanzindustrie ernannter Technokraten.
Die wichtigste Erkenntnis aber betrifft das Bail-in: Der Ablauf der Ereignisse
in Italien zeigt, dass diese inzwischen in ganz Europa rechtlich verankerte
Regelung im Ernstfall einen riesigen Haken hat: Sie ist in großem Stil nicht
durchsetzbar. Auch hierzu eine kurze Erläuterung:
Bail-in funktioniert nur am Reißbrett
Als der Hedgefonds Long Term Capital Management (LTCM) das globale Finanzsystem
1998 zum Einsturz zu bringen drohte, sprangen die Banken der Wallstreet ein und
bewahrten ihn in einer gemeinsamen Rettungsaktion vor der Zahlungsunfähigkeit.
Als mehrere Großbanken 2008 zusammenzubrechen drohten, sprangen die Regierungen
ein und retteten die Banken mit Steuergeldern im Rahmen des sogenannten Bail-out.
Da damals schon abzusehen war, dass eine weitere Krise noch höhere Summen
verschlingen und die Staatshaushalte überfordern würde, suchten sämtliche
Staaten der Welt nach einem Ausweg. Die Lösung wurde bald gefunden und hieß:
Bail-in.
Banken, die von nun an in Schieflage gerieten, sollten nicht mehr durch das Geld
der Steuerzahler, sondern durch die Beteiligung von Anleiheinhabern, Aktionären
und Einlegern gerettet werden. Das Prinzip wurde weltweit gesetzlich verankert
und gilt seit 2016 flächendeckend in der gesamten EU. Angewandt wurde es zum
ersten Mal in Zypern, später in Italien, Portugal und Österreich.
Was sich allerdings bereits beim ersten Einsatz in Zypern andeutete, bestätigte
sich bei der weiteren Anwendung in den anderen drei Ländern: Das Bail-in traf
auf heftigsten Widerstand seitens der Bevölkerung. Während Großinvestoren ihre
Gelder nämlich fast immer rechtzeitig in Sicherheit bringen konnten, war es fast
ausschließlich der Mittelstand, der zur Kasse gebeten wurde.
So erzeugte insbesondere die Rettung der vier Banken in Italien im vergangenen
Dezember einen Aufschrei in der gesamten Bevölkerung. Bedenkt man, dass es
damals um die Summe von 750 Mio. Euro ging, während die italienische Regierung
diesmal 40 Mrd. Euro – also mehr als das Fünfzigfache – forderte, so kann man
sich vorstellen, welche Folgen ein Bail-in-Manöver in dieser Größenordnung im
Gefolge des Brexit gehabt hätte: Es wäre zu möglicherweise nicht mehr
beherrschbaren Protesten gegen die Regierung gekommen und hätte der
Anti-EU-Bewegung solchen Rückenwind gegeben, dass ein Verbleib Italiens in der
EU ausgeschlossen wäre. Kein Wunder also, dass nicht nur die Regierung Renzi,
sondern auch die EU sich davor gescheut hat, zu diesem Mittel zu greifen.
Die Alternativen der EU:
Gelddrucken bis zur
Hyperinflation oder Anwendung von Gewalt
Rückwirkend betrachtet ist das Prinzip des Bail-in nichts anderes als der von
Juristen und Wirtschaftlern am Reißbrett entworfene Versuch, ein längst
zusammengebrochenes Finanzsystem künstlich am Leben zu erhalten. Sein
entscheidender Schwachpunkt liegt allerdings darin, dass seine geistigen Urheber
die Rechnung ohne den Wirt, d.h. ohne das Volk, gemacht haben. Dessen möglicher
Widerstand wurde nämlich nicht mit einkalkuliert, hat sich aber in Zypern und
Italien bereits auf dramatische Weise bemerkbar gemacht.
Die EU-Kommission hat nun darauf reagiert, indem sie die Bail-in-Regelung im
entscheidenden Moment außer Kraft gesetzt hat. Das heißt aber nicht anderes, als
dass sie auch weiterhin auf Bail-outs, also auf die Rettung von Banken mit dem
Geld der Steuerzahler, setzt. Da die vorhandenen Summen aber wegen der Löcher in
den Staatshaushalten aufgrund der vorangegangenen Bankenrettungen nicht
ausreichen, bleibt ihr derzeit nur eine Möglichkeit: das Gelddrucken. Dies wird
in Zukunft in vermehrtem Maße passieren und damit unweigerlich in eine
Hyperinflation führen.
Hier liegt nun der Grund, weshalb die Vorgänge um die italienischen Banken für
die EU das Einläuten ihres Endes bedeuten: Die einzige Möglichkeit, eine
Hyperinflation zu vermeiden, besteht darin, doch wieder auf das Bail-in
zurückzugreifen. Diese direkte und unverhohlene Enteignung großer Teile der
Mittelschicht im Interesse der Finanzindustrie aber ließe sich nur gegen den
Widerstand der Bevölkerung durchsetzen. Der erforderliche Einsatz von Gewalt
aber würde unmittelbar zu einer Volksbewegung gegen die EU und zu deren
endgültigem Auseinanderbrechen führen. Anders ausgedrückt: Die EU befindet sich
in einer Situation, aus der es außer dem Herbeiführen der Hyperinflation keinen
realistischen Ausweg mehr gibt.
Druckfertige PDF-Vorlage:
Quelle: free21.oerg (verlinkt)
Quelle: free21.org |
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Autor:
Ernst Wolff1950 geboren,
wuchs in Südostasien auf, ging in Deutschland zur Schule und studierte
in den USA. Er arbeitete in diversen Berufen, u.a. als Journalist,
Dolmetscher und Drehbuchautor. Die Wechselbeziehung von Wirtschaft und
Politik, mit der er sich seit vier Jahrzehnten beschäftigt, ist für ihn
gegenwärtig von höchster Bedeutung. |
Link zu Originaltext bei ' free21.org ' ..hier
Passend zum Thema:
Eurozone | 08.07.2016 [Quelle: Makroskop]
Bellissima: Hat Italien die schönste
Verfassung der Welt?
Von Martin Rothweiler
Die italienische Verfassung befindet sich seit ein paar Jahren wieder
vermehrt im Fokus der politischen und gesellschaftlichen Debatte. Roberto
Benigni feiert sie ekstatisch als die schönste Verfassung der Welt, die
Investmentbank JP Morgan rümpft hingegen die Nase.
Quelle: Makroskop (verlinkt)
Über Schönheit lässt sich bekanntlich streiten und sie darf auch gerne der
Deutungshoheit von Botticelli und Versace überlassen werden. Oscarpreisträger
Roberto Benigni („Das Leben ist schön“) ließ es sich aber nicht nehmen, im Jahr
2012 die italienische Verfassung in einem zweistündigen Monolog zur besten
Sendezeit im staatlichen Fernsehen ekstatisch zu feiern.
„Die schönste Verfassung der Welt“, so der Name seiner von mehr als zwölf
Millionen Zuschauern verfolgten Abendsendung (Market-Share 42%!). So viele
begeisterte Fans bekommt man selbst im Profi-Fußball – in Italien ja quasi
zweite Volksreligion – eher selten auf die heimischen Sofas.
Das für September dieses Jahres angesetzte Referendum entscheidet in der
Hauptsache über die umstrittene Verfassungsreform des Senates. Kritische
Beobachter rechnen jedoch für die nächsten Jahre noch mit weitergehenden
„Modernisierungsversuchen“, da bereits vermehrt Stimmen aus dem Lager von
verschiedenen internationalen Think-Tanks und den letzten drei
Ministerpräsidenten bzw. Technokraten laut wurden, die meinen, die Verfassung
sei nicht mehr „zeitgemäß“.
Volkswirtschaftliche und sozialpolitische Kernpunkte der Verfassung §1 – Italien ist eine demokratische und auf Arbeit fundierte Republik. Die
Souveränität gehört dem Volke. Italien ist also nicht auf Arbeitslosigkeit gegründet, auch nicht auf
1-Euro-„Jobs“ und auch nicht auf Kapitalerträge oder Großgrundbesitz, sondern
schlicht auf Arbeit. Der Souverän ist das italienische Volk, nicht die EZB,
nicht die „Märkte“ und auch keine „Technokraten“.§41 – Die Privat-Wirtschaft ist frei. Sie darf jedoch nicht im Widerspruch mit
dem sozialen Nutzen, der Sicherheit, oder der menschlichen Würde stehen. Das Gesetz determiniert die Programme und ihre Kontrolle, damit die öffentliche
ökonomische Aktivität zu sozialen Zwecken ausgerichtet und koordiniert werden
kann.
Dies ist ein glasklares Bekenntnis zur „sozialen Marktwirtschaft“ und eben nicht
zu einer im merkelschen Neusprech definierten „marktkonformen Demokratie“.
Genauso lässt der zweite Absatz kaum Zweifel daran, dass das ökonomische und
gesellschaftliche Miteinander nicht als zufälliges Restprodukt eines
phantomatischen Marktes gesehen wird, der einen Sozialstaat sowie
gesellschaftspolitische Aufgaben und Ausgaben nur nach der „Trickle-down-Theorie“
zulässt oder unter Vorbehalt des „Spreads“ stellt. Vielmehr wird vom Staat eine
aktive und explizit determinierende Marktgestaltung in Form von Steuerung und
Kontrolle eingefordert.§35 – Die Republik wahrt und schützt die Arbeit in all ihren Formen und
Anwendungen. Sie fördert und wirbt für internationale Organisationen welche die
Arbeitsrechte bestätigen (affirmieren) und regeln. Die Gründungsväter wählten das Wort „affirmieren“, was im scharfen Kontrast zu
„modernen“ Schlüsselwörtern wie „flexibilisieren“, „anpassen“ oder
„wettbewerbsfähig machen“ – also letztlich immer aufweichen – steht.
Einer der ersten Amtshandlungen des aktuellen sozialdemokratischen
Ministerpräsidenten im Jahr 2014 war der „Jobs-Act“, eine auf Flexibilisierung
ausgerichtete Arbeitsmarktreform, die Aufweichung des § 18 (Kündigung ohne
besonderen Grund), sowie beinharte rhetorische Fouls gegen die Gewerkschaften.
[...]
Weiterlesen im Originaltext bei ' Makroskop ' ..hier
06.06.2016 14:00
Kotau oder K.O. - Wie autark ist Europa?
KenFM-Positionen (6) - Wer nach dem Zusammenbruch der UdSSR davon
ausging, die Zeit des Kalten Krieges sei vorbei, muss sich getäuscht sehen.
Unmittelbar nach dem „Ende der Geschichte“ ging der Westen dazu über, eine
aggressive militärische Expansionspolitik zu fahren. Die NATO zeigte ihr wahres
Gesicht, sie wandelte sich von einem Verteidigungsbündnis in ein
Angriffsbündnis. Völkerrechtswidrige Kriege gegen Jugoslawien, Afghanistan, den
Irak oder Libyen wurden zur Selbstverständlichkeit. [Quelle:
KenFM] JWD
..weiterlesen
29.05.2016 13:45
Die letzte Option heißt Krieg:
Der Finanz-Tsunami nimmt seinen Lauf
Die relative Ruhe an den Finanzmärkten in den vergangenen Wochen und Monaten hat
viele Menschen glauben lassen, die Lage habe sich nach den Turbulenzen zu
Jahresbeginn entspannt und sei doch nicht so ernst ist wie zunächst angenommen.
Sie irren. [Quelle: Sputniknews]
JWD ..weiterlesen
24.05.2016 00:00
Ernst Wolff: Der IWF - leihe und herrsche
Ernst Wolff im Gespräch mit Michael Friedrich Vogt. Er erpresst Staaten. Er
plündert Kontinente. Er hat Generationen von Menschen die Hoffnung auf eine
bessere Zukunft genommen und ist dabei zur mächtigsten Finanzorganisation der
Welt aufgestiegen: Die Geschichte des Internationalen Währungsfonds gleicht
einem modernen Kreuzzug gegen die arbeitende Bevölkerung auf fünf Kontinenten.
[Quelle: Quer-denken.tv]
JWD ..weiterlesen
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