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11.08.2015 09:40
Europa auf die Couch
Es geht mir um Griechenland und die Szenen seiner Ehe mit den 18 Europartnern. Für mich ist dieser Konflikt eingebettet in eine Systemkrise Europas, ausgetragen wird er aber wie ein Ehekrieg mit wechselseitigen Herabwürdigungen, Beleidigungen, Lügen und Intrigen. Alle werden in den Krieg hineingezogen, nicht nur in Griechenland – in jedem EU-Land vertieft sich die Kluft.. [Quelle: stephan.schulmeister.wifo.ac.at] JWD

Blätter für deutsche und internationale Politik 8/2015

Dabei vermischen sich ökonomische, kulturelle und politische Konflikte. Für die einen geht’s um den Euro, für die anderen (klammheimlich) um die „faulen Griechen“ (aber listig wie Odysseus), für andere um ein neoliberales oder soziales Europa, wieder andere sehen einen Konflikt zwischen dem „ordentlichen“ Norden und den „schlampigen“ Süden. Die Medien kämpfen überwiegend auf der Seite ihres Landes…

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Quelle: stephan.schulmeister.wifo.ac.at (verlinkt)

Das Zerwürfnis beginnt mit der Finanzkrise 2008: Zunächst werden alle Länder schwer getroffen, Deutschland am meisten. Doch es kann die Krise am besten bewältigen, wegen seiner guten Finanzlage, kluger Politik (Kurzarbeit!), seiner Exportorientierung (China und andere Schwellenländer expandieren weiter) und der jahrelangen Reallohnsenkungen. Südeuropa hatte das wirtschaftspolitische „Expansionspulver“ schon vor der Krise verschossen, jetzt musste gespart werden – für (zu) binnenwirtschaftlich orientierte Ökonomien ein gefährliches Unterfangen.

Nun beginnen die gegenseitigen Vorwürfe…

Die Lohnstückkosten Deutschlands sind bis 2008 gegenüber seinen Europartnern um 20 Prozent gesunken. Die Währungsunion hätte erfordert, dass sie in allen Ländern im Ausmaß der Zielinflationsrate von 2 Prozent steigen. In den übrigen Euroländern stiegen sie um 2,5 Prozent pro Jahr, doch Deutschland hielt sie konstant…

Professionelle „Finanzalchemisten“ nützen die Krise Griechenlands für ein neues „Spiel“, die Spekulation auf den Staatsbankrott, und diese treibt die Zinsen griechischer Staatsanleihen rasant nach oben. Hätten damals, im Frühjahr 2010, der EZB-Präsident oder die deutsche Kanzlerin erklärt: Die Spekulation gegen ein Mitglied der Währungsunion wird nicht geduldet (so wie es Mario Draghi zwei Jahre später tun sollte) – wir hätten uns die Eurokrise von Beginn an erspart. Doch die hohen Zinsen gelten für deutsche Ökonomen und Politiker als gerechte Strafe des „Richters Markt“…

Unsere Regierungen sollten sich nicht von Medien und Meinungsumfragen täuschen lassen. Der Konflikt um Griechenland hat in allen EU-Ländern den Riss in der Bevölkerung vertieft, denn indirekt geht es um die grundlegenden Fragen – neoliberales versus soziales Europa, Austerität versus Wachstumsimpulse, Norden gegen Süden. Wenn man Griechenland durch Sparen weiter stranguliert, gar aus der Währungsunion hinausstranguliert, was durchaus noch möglich ist, und sich dann selbst überlässt (abgesehen von Care-Paketen), dann werden viele Millionen Menschen diese EU-Politik als widerwärtig empfinden…

Weiterlesen im Originaltext bei ' stephan.schulmeister.wifo.ac.at ' (PDF)..hier

 
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