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02.12.2013 13:35
Kapitulation der SPD? - Steinmeier wirbt für SPD als Arbeitgeberpartei
Skandalöse Äußerungen des Fraktionsvorsitzenden der SPD, Frank-Walter Steinmeier, begründen einmal mehr den Verdacht, dass die SPD-Spitze fremdbestimmt ist. Anlässlich einer Rede auf dem Arbeitgebertag des BDA rühmte er sich und die SPD uneingeschränkt, ob ihrer Sozialabbaupolitik und den damit einhergehen Vergünstigungen für die Arbeitgeber. Steinmeier folgerte sinngemäß, die SPD sei die wahre Heimat der Arbeitgeber im Lande. Die hofberichtserstattenden Gazetten nahmen bislang allerdings keine Notiz davon. JWD

Möglicherweise handelt es sich um eine Art "Schockstarre", denn dieser Vorfall ist mehr als nur ein Fettnäpfen, in welches Steinmeier getreten ist. Albrecht Müller veröffentlichte am 27.11.2013 einen Hinweis in den NachDenkSeiten mit eingebettetem Video der Rede:

27.11.2013 (nds.de / Albrecht Müller)
Hallo Sozialdemokraten/innen und Gewerkschafter/innen unter unseren Lesern!

Schaut Euch das an:
Da rühmt sich der Fraktionsvorsitzende Steinmeier auf dem Deutschen Arbeitgebertag 2013



- ab Minute 15:45, und extrem ab Minute 17:00, der Agenda 2010, der Steuersenkungen für die Wirtschaft, auch der Halbierung der Besteuerung der Zinseinkommen – Halbierung im Vergleich zur Steuer auf Eure sauer verdienten Löhne. Wenn Ihr Euch das ohne Widerstand gefallen lasst und wenn Ihr nicht sofort massiven Druck bei Euren Abgeordneten auf Abwahl dieses Fraktionsvorsitzenden macht, dann ist Euch nicht mehr zu helfen. Und wenn die Gewerkschaften die vorliegende Koalitionsvereinbarung auch noch absegnen, dann diesen auch nicht. Albrecht Müller.

P.S.: Ich hatte die Hoffnung, dass die Sozialdemokraten in der Großen Koalition wenigstens wieder ein bisschen eigenes Profil zeigen. Wenn jedoch der zweite Mann auf der sozialdemokratischen Seite des kommenden Kabinetts einen solchen neoliberalen Stuss erzählt, dann kann man jede Hoffnung fahren lassen. Dann tun mir auch alle Freundlichkeiten gegenüber einer Großen Koalition, die ich in den NachDenkSeiten formuliert hatte, leid. Allerdings weiß ich immer noch nicht, welche Alternative weniger schlecht ist.
Auf jeden Fall werden künftig wegen des Ausfalls einer zahlenmäßig starken Opposition kritische Medien ausgesprochen wichtig. Deshalb möchte ich Sie darum bitten, in Ihren Kreisen für die Verbreitung der NachDenkSeiten und anderer kritischer Medien zu sorgen. Weitersagen und noch mal weitersagen. [Quelle: nds.de ..hier]


Heute geht Albrecht Müller nocheinmal auf das Thema ein:

02.12.2013 (nds.de / Albrecht Müller)
Nachtrag zur Steinmeier-Rede vor dem Arbeitgeberverband BDA:
hier für NDS-Leser die wichtigen Redeteile in schriftlicher Form

Am 27.11. hatten die NachDenkSeiten auf ein Video mit der Rede Steinmeiers hingewiesen. Damit Sie und die angesprochenen Gewerkschafter und Sozialdemokraten im Vorfeld der Abstimmung über den Koalitionsvertrag besser mit diesem empörenden Text arbeiten können, ist er jetzt in Schriftform gebracht. Siehe unten. – So wie Steinmeier kann man nur reden, wenn man fremdbestimmt ist. Wenn man auch nur noch ein bisschen sozialdemokratische Würde empfindet, dann geht das nicht. „Fremdbestimmt“ kann erstens meinen, dass die Gruppe Steinmeier, Müntefering, Steinbrück und einige mehr so sehr von der Weisheit neoliberalen Denkens überzeugt sind oder überzeugt worden sind, dass sie jede Sensibilität für das Empfinden von Menschen, die die Opfer dieser Ideologie sind, verloren haben. „Fremdbestimmt“ kann aber zweitens auch heißen, dass die Personalentscheidungen deutscher Parteien und deren inhaltliche Positionen von außerhalb mitbestimmt werden.

Bevor kritische Leserinnen und Leser gleich den Vorwurf „Verschwörungstheoretiker“ erheben, sollten sie bedenken, dass sie auch die Aktivitäten der NSA nicht für möglich hielten und die Nutzung unseres Landes für allerlei kriegerischer Aktivitäten und die starke Einschränkung der Souveränität unseres Landes auch nicht.

Mir war nach der Bundestagswahl von 2009 schon aufgefallen, mit welcher unglaublichen Selbstverständlichkeit und Schnelligkeit der damalige Spitzenkandidat und Wahlverlierer Steinmeier, der die SPD auf jämmerliche 23 % herunter gebracht hatte, prompt zum Fraktionsvorsitzenden gemacht wurde. Vorher war die Niederlage am Wahlabend im Willy-Brandt-Haus von arrangierten Claqueuren in dunklen Anzügen in einen Wahlsieg umgeklatscht worden.

Jetzt, 2013, wurde Steinmeier wieder zum Fraktionsvorsitzenden gewählt und hat nach bisherigen Meldungen gute Aussichten, wieder Außenminister zu werden.

Also, ich schließe nichts aus.

Jene, die diesen Motor der Agenda 2010 und der Öffnung der Bundeswehr für Auslandseinsätze jetzt zweimal zum Fraktionsvorsitzenden gewählt haben und damit die für eine Demokratie notwendige Sanktionsmöglichkeit außer acht ließen, sind besonders herzlich eingeladen, die Rede Steinmeiers vor den Arbeitgebern auch in schriftlicher Form zur Kenntnis zu nehmen.

Hier also der Auszug aus der Rede des SPD-Bundestagsfraktionsvorsitzenden Frank-Walter Steinmeier auf dem Arbeitgebertag am 19.11.2013 ab 17. Minute:
    “… wir sind auch Dank einer mutigen Reformpolitik, die in diesem Lande stattgefunden hat, ganz gut aufgestellt – auch im Wettbewerb mit den anderen. Wir haben jetzt fünf Wachstumsjahre in Folge. Wir haben Rekordniveaus bei Beschäftigung, bei Exporten und bei Staatseinnahmen. Das ist alles wahr. Und ich weiß, daß die meisten hier im Saal trotz der anstrengenden, gefährlichen, risikobehafteten Umsteuerungsarbeit, die wir damals zu machen hatten, ihre Zuneigung zur Sozialdemokratie immer noch unterkühlt handhaben. Und ich sage deshalb, gerade weil Ilse Aigner so stolz darauf ist, dass die CDU/CSU keine Steuererhöhungen haben will, sondern die Steuersätze beibehalten will, ihre Erwartungen waren der ursprünglich mal etwas anders. Sie (die Arbeitgeber, d. Verf.) haben ja sogar auf Steuersenkungen gewartet. Deshalb sage ich jetzt ohne Larmoyanz, und die Entscheidungen liegen ja zehn Jahre hinter uns, wenn Sie sich in gerechter Weise zurückerinnern, dann hat es aber die entscheidenden Steuersenkungen und zwar in einem Volumen von mehr als 60 Milliarden Euro unter einer sozialdemokratischen Regierung gegeben:

  • Mit der Senkung des Spitzensteuersatzes,
  • mit der Senkung des Eingangssteuersatzes,
  • mit der Senkung der Unternehmenssteuern.

    Sie haben bis dahin Ihre Kapitalzinsen nach dem Einkommensteuergesetz bezahlt, und seit der Zeit nur noch für die Hälfte ungefähr versteuert nach dem Abgeltungssteuergesetz.
    Das war damals immerhin sozialdemokratische Steuerpolitik und ich finde bis heute ist das nicht so ganz schlecht. (Beifall)

    Ich habe mir das selbst noch einmal in Erinnerung gerufen, weil (…) ich den Eindruck hatte, Sie fühlen sich alle bei dem Unionsteil einer möglichen Großen Koalition besser aufgehoben als beim sozialdemokratischen Teil einer Großen Koalition. Deswegen erinnere ich natürlich nicht nur an die Steuerpolitik, für die wir Verantwortung getragen haben, sondern ich sage mal dabei, daß auch die Reform der Arbeitsverwaltung, die Flexibilisierung der Arbeitszeiten, die Aufhebung der Spaltung am Arbeitsmarkt, die Halbierung der Beiträge zur Arbeitslosenversicherung – auch das waren Entscheidungen, die wir damals getroffen und durchgesetzt haben, mit denen wir miteinander – nicht Sie alleine – unter ökonomischen Gesichtspunkten ganz gut leben – miteinander. Und deshalb sage ich Ihnen auch entgegen manchem Verdacht, von dem ich auch in Zeitungen dieser Tage lese: Nachdem wir das alles durchgerungen haben, uns haben beschimpfen lassen, auch Wahlen verloren haben dafür, müssen Sie sich jetzt nicht vorstellen, dass wir das, was ökonomischen Erfolg in dieser Republik begründet hat, nachträglich auf irrsinnige Weise in Frage stellen, sondern wir wissen, was das für Mühe gekostet hat, dieses Land aus mancher Unbeweglichkeit zu befreien. Und deshalb kann ich mir auch nicht vorstellen, dass die Rückabwicklung sinnvoll und gut wäre.

    Ich will Ihnen nur sagen, wenn man an der einen oder anderen Stelle trotzdem … versucht etwas zu korrigieren, was im Blick auf die letzten zehn Jahre trotz Reform aus dem Ruder gelaufen ist, etwa bei der Leiharbeit oder bei der Entwicklung der Aufstockerei für den Niedrigstlöhner, wenn man das versucht zu korrigieren, dann sollte das auch in Ihrem Interesse, im Interesse von Arbeitgebern, liegen, weil eigentlich doch keiner ein Interesse daran haben kann – wie ich unterstelle mal, Sie auch nicht – dass Zustimmung und Akzeptanz zur Marktwirtschaft aufgrund solcher Fehlentwicklungen, die wir einfach laufen lassen, dass Akzeptanz der Marktwirtschaft auf diese Weise erodiert.“
Zum wiedergegebenen Text der Steinmeier Rede noch einige Anmerkungen.
  • Zunächst: Wir haben die Rede auch deshalb verschriftet, damit Sie diesen Text in Ihr Archiv übernehmen können, falls Sie öfter in Diskussionen gefordert sind.
  • Steinmeier rühmt sich der Steuersenkungen bei Unternehmen, er rühmt sich sogar der Abgeltungssteuer, was alles zusammen zum einen zu einer extrem ungerechten weiteren Umverteilung der Nettoeinkommen geführt hat und andererseits zur weiteren Verarmung des Staates.
  • Eine Steuersenkung zu Gunsten der Spekulanten hat er nicht einmal erwähnt: die Steuerbefreiung der Gewinne beim Verkauf von Unternehmen und Unternehmensteilen. Die anti-sozialdemokratische Bilanz der Regierung Schröder ist also noch länger, als von Steinmeier erwähnt. Diese Steuerbefreiung gibt es übrigens immer noch, obwohl es ein Riesenskandal ist.
  • Steinmeier hat keine Ahnung von der gefährlichen Fehlentwicklung im Euroraum. Andernfalls würde er sich der Erfolge beim Export nicht rühmen. Ein Mann mit einer solch geringen Sensibiltät für unser Partner in der Eurozone wird möglicherweise Außenminister.
  • Er mogelt auch im Kleingedruckten, er spricht von „fünf Wachstumsjahren in Folge“. In den letzten fünf Jahren waren das gerade mal 0,66 % reales Wachstum des Bruttoinlandsproduktes im Schnitt der Jahre von 2009 bis 2013: 0,66% p.a. = „Wachstumsjahre“!!!
  • Und er rühmt sich der Flexibilisierung des Arbeitsmarktes, der Halbierung der Beiträge und damit der Reduzierung der sozialen Sicherheit
  • Das Schlimmste aber ist die Anbiederung bei den Arbeitgebern und ihrem Verband. Da ist nichts von sozialdemokratischer Restwürde. Alles verscherbelt. Diese sozialdemokratischen Führungspersonen sind offenbar fremdbestimmt. Anders kann man sich eine solche Rede nicht erklären. Da ist nichts an Würde, kein Selbstbewusstsein.
Steinmeier war allerdings immer schon so. Er hat schon im Kanzleramtspapier vom Dezember 2003 über die zu hohen Lohnnebenkosten geklagt und einen engen Zusammenhang zwischen Erhöhung der Lohnnebenkosten und der Erhöhung der Arbeitslosigkeit konstruiert. (In meinem Buch „Die Reformlüge“ von 2004 habe ich das schon ausführlich analysiert.) Das war sowohl Klippschulökonomie als auch ein Zeugnis der Abwesenheit jeden Wissens um die Bedeutung der sozialen Sicherheit und der dafür notwendigen Beiträge. Beiträge/Abzüge sind keine Lohnnebenkosten, sondern Beiträge zur solidarischen Sicherung vor den Risiken des Lebens. Das lernt man normalerweise, wenn man sich bei seiner politischen Sozialisation auch nur in halbwegs aufgeklärten Kreisen bewegt. [Quelle: nds.de ..hier]

Hinweis: Die Texte der Beiträge sind vollständig wiedergegeben.


Nachtrag:

Auch Sahra Wagenknecht, die 1. stellvertretende Vorsitzende der Fraktion DIE LINKE. im Bundestag, äußert sich zur Rede von SPD-Fraktionschef Steinmeier.

04.12.2013
Ende der Kreidezeit - SPD zeigt, wes Geistes Kind sie ist [Quelle: linksfraktion.de]
Was von der SPD als Großkoalitionärin zu erwarten ist, machte SPD-Fraktionsvorsitzender Frank-Walter Steinmeier pünktlich zum Ausklang der Koalitionsverhandlungen klar. Auf dem Deutschen Arbeitgebertag am 19. November 2013 präsentierte er sich als knallharter Interessenvertreter der Arbeitgeber und Vermögenden. Hatte die SPD im Wahlkampf noch den Eindruck zu erwecken versucht, sie kehre zu sozialdemokratischen Positionen zurück, ist davon nun nichts mehr zu spüren. Mit stolzgeschwellter Brust erläuterte Steinmeier den versammelten Managern in seiner Rede (YouTube, ab 15. Minute), dass die SPD doch die beste Hilfsgenossin des deutschen Kapitals sei.

Nicht nur sei es die SPD gewesen, die den Arbeitsmarkt flexibilisiert habe - nein, man habe darüber hinaus auch für eine Absenkung der Steuersätze auf Kapitalgewinne gesorgt. Bedauern äußerte Steinmeier nur an einer Stelle - darüber, dass trotz dieser unternehmerfreundlichen und arbeitnehmerfeindlichen Politik der SPD die Popularität der Partei unter Managern immer noch hinter der der Konservativen zurückstehe. [..]

Weiterlesen im Originaltext bei ' linksfraktion.de ' ..hier


 
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